In Hamburg debattieren Islamvertreter über die Beziehung zwischen Staat und Religion

Hamburg/Berlin. Nach einzelnen Zwischenrufen, den engagierten Reden und den Fragen der Zuhörer herrscht Ruhe im Gebet. Der Wintermittag über Hamburg wirft sein Licht in den großen Raum der Imam-Ali-Moschee. Männer senken ihren Turban. Sie beten gen Mekka. Eben noch saßen sie in der ersten Reihe vor dem Podium des Islamischen Zentrums Hamburg, hier an der Außenalster.

Es gebe ein starkes Misstrauen der Behörden gegenüber den muslimischen Gemeinden in Deutschland, sagt Ünal Kaymakci. Er ist aus Hessen angereist und Vize-Vorsitzender der dortigen islamischen Religionsgemeinschaft. Der Staat nehme Einfluss auf die neu geschaffenen Lehrstühle für islamische Theologie an einigen Universitäten. Man versuche, die Theologen mitzubestimmen und die Hochschulen auf einen „Euro-Islam“ zu trimmen – einem Islam, der europäisch geprägt ist. „Aber Universitäten dürfen nicht zum Spielball staatlicher Interessen werden“, sagt Kaymakci. Vor allem nicht Spielball deutscher Sicherheitspolitik. Wie der Islam an Hochschulen gelehrt werde, müssten die Muslime entscheiden. Er bekommt für seine Aussagen lauten Widerspruch eines Zuhörers im Saal. „Es gibt in Deutschland Freiheit der Wissenschaft“, ruft der Mann ins Mikrofon. Kein Theologe werde vom Staat zu einem „Euro-Islam“ gezwungen.

An diesem Sonntag treffen sich Imame, Professoren, Journalisten, Verbandsfunktionäre, liberale wie konservative, der muslimischen Gemeinden aus ganz Deutschland in der Moschee an der Alster. Es geht darum, wie islamische Theologie an den Universitäten etabliert werden kann, was dort unterrichtet werden soll und wer über diese Frage entscheiden darf. Der Staat unterstützt die Studiengänge mit Millionen. Aber es geht immer auch um mehr: um die Frage, wie der Staat mit den Muslimen in Deutschland umgeht – um Anerkennung und Misstrauen zwischen Muslimen und der Behörde. Um Rechte und verwehrte Rechte.

Deutschland und der Islam – in den vergangenen Tagen ist die Debatte wieder in den Mittelpunkt gerückt. Anlass war eine Aussage des Bundesinnenministers Thomas de Maizière. Der CDU-Politiker will die Islamkonferenz nach Querelen der vergangenen Jahre auf eine neue Grundlage stellen. Heute trifft sich de Maizière in Berlin mit Vertretern der Muslime. Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) wurde 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufen.

Ziel sollte sein, die religions- und gesellschaftspolitische Integration der mehr als vier Millionen Muslime in Deutschland voranzubringen. Die Türkische Gemeinde wünscht sich einen gesetzlichen muslimischen Feiertag in Deutschland. Als Beispiel nannte sie das Opferfest, eines der wichtigsten islamischen Feste. Doch zuletzt gab es Kritik an de Maizières Vorgänger Hans-Peter Friedrich (CSU), der den Blick der Konferenz auf Extremismus und Sicherheitspolitik statt Integration gelegt hatte. Die Hamburger SPD-Politikerin und Partei-Vize Aydan Özoguz warf Friedrich vor, Muslime vor den Kopf zu stoßen. Nun sitzt Özoguz als Staatsministerin für Integration im Kanzleramt.

Islamische Verbände wollen als Religionsgemeinschaften anerkannt werden. Wie die Kirchen beim Religionsunterricht und der universitären Lehre wollen sie die Inhalte definieren. Außerdem wollen sie bei der Anstellung von Lehrern und Professoren mitentscheiden. Allerdings sind die Islamverbände bislang nur in Hamburg und Bremen als Religionsgemeinschaften anerkannt. In einigen Ländern treten Beiräte an ihre Stelle. In ihnen sitzen auch von einer Landesregierung benannte Mitglieder. Die Beiräte haben das letzte Wort bei Entscheidungen.

Mustafa Yoldas, Vorsitzender der Schura Hamburg, warb dafür, dass Muslimverbände in jedem Bundesland Verträge mit den Landesregierungen abschließen – nach dem Vorbild von Hamburg. „Wir arbeiten jetzt hier auf Augenhöhe.“ Bildung sei eben Ländersache. Die Hamburger Islamprofessorin Katajun Amirpur begrüßte, dass nun auch islamische Theologie an deutschen Hochschulen gelehrt wird. Muslime würden nicht mehr „zweitklassig“ behandelt. Auch die Vize-Direktorin der Akademie der Weltreligionen wollte nicht ausschließen, dass einige staatliche Vertreter mithilfe der islamischen Theologie einen „Euro-Islam“ anstrebten. Amirpur sprach sich gegen solch eine Instrumentalisierung der Religion aus. Es sei nicht nötig, einen demokratiefähigen Islam neu kreieren zu wollen, weil der Islam bereits für Freiheit und Gleichheit stehe.