Jeder zweite Soldat meint, die Armee entwickele sich zum Schlechteren

Berlin. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat angekündigt, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands machen zu wollen. Es gehe um flexible Arbeitszeiten und bessere Kinderbetreuung. Dienst und Familie sollen vereinbar werden. Die Bundeswehr will sich damit auch für Frauen immer weiter öffnen. Und tatsächlich ist der Handlungsbedarf groß. Das macht eine Studie im Auftrag der Bundeswehr deutlich, die nun in Berlin vorgestellt wurde. Demnach denkt nur jede zweite Soldatin, Familie und Bundeswehr seien gut miteinander vereinbar. Rund 50 Prozent halten das für schwierig. Und die Zahl derjenigen, die eine Vereinbarkeit für möglich halten, ist in den letzten sechs Jahren sogar noch um 15 Prozentpunkte gesunken.

So ist die Zahl der Frauen, die sich wieder dafür entscheiden würden, in den Militärdienst zu treten, um rund neun Punkte auf 57,3 Prozent zurückgegangen. Dementsprechend stieg die Zahl derjenigen, die vor Ablauf der Dienstzeit die Bundeswehr verlassen würden – immerhin eine Verdoppelung von 11,3 auf 23,8 Prozent. „Wir können mit der Attraktivität der Bundeswehr nicht zufrieden sein“, sagte Vize-Admiral Heinrich Lange, Abteilungsleiter Führung und Streitkräfte in der Bundeswehr, zu den Ergebnissen. Allerdings sei es für Handlungsempfehlungen noch zu früh. Er selbst habe erst am Mittwoch von den Ergebnissen der Studie erfahren. Lange schwebt ein Symposium vor, um all die Defizite ausgiebig zu analysieren.

Die Studie mit dem Titel „Truppenbild ohne Dame?“, der eine Befragung von rund 4900 Soldatinnen und Soldaten aus dem Jahr 2011 zugrunde liegt, ist bereits die zweite ihrer Art. Vor sechs Jahren beschäftigte sich die Bundeswehr das erste Mal mit der Frage, wie die Integration der Frauen in die Bundeswehr gelungen ist. „Die Daten aus dem Jahr 2011 zeigen, dass die Bundeswehr mit der gestarteten Attraktivitätsoffensive auf dem richtigen Weg ist und wir an vielen Punkten anzusetzen haben“, sagte von der Leyen zu den Ergebnissen. „Die Bundeswehr braucht die fähigsten Köpfe, und davon sind ebenso viele weiblich wie männlich.“

Doch dieser Meinung sind offenbar nicht alle Soldatinnen und Soldaten. Die Vorbehalte gegenüber Frauen sind groß – sogar in den eigenen Reihen. Immerhin sechs Prozent der Frauen und rund 57 Prozent der Männer sind der Ansicht, die Bundeswehr würde sich durch die Integration von Frauen verschlechtern. Bei den Männern ist der Wert im Vergleich zu 2005 noch um fünf Punkte gestiegen. 15,6 Prozent von ihnen und rund fünf Prozent der Frauen sind sogar der Meinung, die Bundeswehr könne durch die Integration von Frauen ihren militärischen Auftrag nicht mehr erfüllen. Einen Grund sehen die Soldatinnen (15,8 Prozent) und Soldaten (35,8 Prozent) im Verlust der Kampfkraft. Zugleich wird der Umgang mit den Soldatinnen nicht unbedingt als positiv bewertet. So meint jeder zweite männliche Soldat, Frauen würden zu positiv beurteilt (2005: 39,3 Prozent). Fast zwei Drittel sind überzeugt, die Karrierechancen für Frauen seien besser als für Männer (2005: 52,6 Prozent). Auch die Behandlung durch Vorgesetzte sei bei Frauen besser als bei Männern (32,6 Prozent).

Man könne hier von einer „Eintrübung des Integrationsklimas“ sprechen, sagte dazu Gerhard Kümmel, der Leiter der Studie und wissenschaftlicher Direktor des sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr. Doch grundsätzlich könne man die Leitfragestellung der Studie „Truppenbild ohne Dame?“ mit einem klaren Nein beantworten: „Es wird ein Truppenbild mit Dame geben.“

Ein immer wieder kontrovers diskutiertes Thema nahm die Studie auch unter die Lupe: sexuelle Belästigung. Grundsätzlich hat bereits jede zweite Soldatin Erfahrungen damit gemacht. 48 Prozent in Form von anzüglichen Bemerkungen, 25 Prozent durch das Zeigen pornografischer Darstellungen, und 24 Prozent berichten von „unerwünschten, sexuell bestimmten körperlichen Berührungen“. Drei Prozent wurden Opfer sexuellen Missbrauchs. „Jeder Fall ist einer zu viel“, sagte Studienleiter Kümmel. Doch müsse man auch sehen, dass die Bundeswehr in diesem Punkt als Arbeitgeber im Vergleich zu anderen nicht besonders negativ auffalle. Zurzeit stellen Soldatinnen rund zehn Prozent des Bundeswehrpersonals. Das sind 18.500 Frauen. Angestrebtes Ziel sind 15 Prozent – und das so schnell wie möglich. Immerhin waren im letzten Jahr 14 Prozent der Bewerber Frauen.