Während der Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg stehen Energiewende und Rentenreform im Mittelpunkt

Berlin. Nein, die Tradition von Regierungsklausuren auf Schloss Meseberg beschwören weder die Bundeskanzlerin noch ihr Stellvertreter. Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) wissen: Glanz und Gemütlichkeit des prächtigen Schlösschens im brandenburgischen Gransee haben in der Vergangenheit nur bedingt auf seine Gäste ausgestrahlt.

Vor vier Jahren tagte die schwarz-gelbe Koalition in Meseberg – es war der Start für eine Periode chaotischen Regierens. Im Sommer 2007 waren die Minister der damaligen Großen Koalition im Gästehaus der Bundesregierung zusammengekommen, damals belauerten sich CDU/CSU und SPD längst äußerst misstrauisch; hinzu kam interner Zwist bei den Sozialdemokraten.

Nun, Mitte Januar 2014, soll alles anders sein. Meseberg III soll besser werden als Meseberg I und II. Natürlich. Gemeinsam – das ist das Schlüsselwort, das Merkel und Gabriel deshalb zum Auftakt der zweitägigen Klausur bemühen. Seit an Seit stehen die beiden wichtigsten Figuren der Großen Koalition am Mittwochvormittag an zwei Rednerpulten. „Das ist eine Regierung, getragen von drei Parteien, aber eine Regierung“, sagt Merkel. „Ich schließe mich der Vorrednerin an“, sagt Gabriel. Den Koalitionsvertrag umzusetzen – das sei „eine Aufgabe aller“.

Bis Donnerstag tagt das Kabinett auf Schloss Meseberg, tagsüber formal, abends in lockerer Runde im Kaminzimmer. Die Kanzlerin, der Kanzleramtschef, 14 Minister und zwei Staatsminister können im Schloss übernachten. Dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu Tagungsbeginn fehlte, war nicht etwa einem Mangel an preußischem Pflichtgefühl geschuldet, sondern seiner Präsenz bei der Syrien-Friedenskonferenz im schweizerischen Montreux. Um Außenpolitik wird es in Meseberg auch gehen, etwa mit Blick auf mögliche Einsätze deutscher Soldaten in Mali und Zentralafrika. Steinmeier hatte dies in Aussicht gestellt. Beizeiten wird auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sich zu dieser Frage verhalten müssen.

Die Klausur dominieren aber Energiewende und Rentenpolitik. Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist das wichtigste Projekt von Wirtschaftsminister und Vizekanzler Gabriel. Doch sowohl Merkel als auch Gabriel machten deutlich, dass die Energiewende ein Vorhaben der gesamten Bundesregierung sei. „Erste Aktivitäten haben Sie ja schon verfolgen können“, leitete Merkel ihr Pressestatement vor der Klausur ein – ihr Hinweis bezog sich auf das am Wochenende bekannt gewordene Eckpunktepapier Gabriels. Die Pläne des Wirtschaftsministers „werden absolut unterstützt“, sagte Merkel. So viel gekuschelt wurde selten. Erfolg oder Scheitern der Energiewende, ließ die Kanzlerin erkennen, seien Sache der gesamten Koalition. Die Reform sei „ein Projekt der gesamten Bundesregierung – und nicht nur eines Ministers“. Gabriel sagte, die geplanten Maßnahmen seien zu diskutieren, dann aber müsse die Regierung sie „geschlossen vertreten“. Er plant deutliche Abstriche bei der Förderung von Ökostrom, um den Anstieg der Strompreise zu dämpfen.

Etwa zehn Stunden lang wollen Kanzlerin und Minister miteinander tagen. Die „sozialen Maßnahmen“ (Merkel) sind ein weiterer Schwerpunkt. Obwohl Einzelne in CDU und SPD über den Geldsegen für ältere Arbeitnehmer (Rente mit 63) und Mütter (Mütterrente) murren, dürfte die Koalition die Pläne von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) absegnen. Nahles hat sich mit ihren Planungen beim Koalitionspartner Union als verlässliche Partnerin erwiesen; in der SPD genießt sie schon lange den Ruf, absprachefest zu agieren. „Ich fand den Anfang der Regierung gut“, sagte Vizekanzler Gabriel und relativierte damit die Streitigkeiten über Mindestlohn, Vorratsdatenspeicherung und 32-Stunden-Woche für Eltern: „Dass es manchmal auch am Anfang ein bisschen ruckelt, weil sich Kolleginnen und Kollegen zusammenfinden müssen, das ist, glaube ich, normal.“

Meseberg soll die Harmonie durch persönliche Kontakte festigen. Tatsächlich haben Ministerpaare mit sich überschneidenden, konfliktträchtigen Zuständigkeiten wie Heiko Mass (SPD, Justiz) und Thomas de Maizière (Innen, CDU) oder Ursula von der Leyen (Verteidigung, CDU) und Frank-Walter Steinmeier (Außen, SPD) sich nun zusammengesetzt und verabredet, Streitigkeiten zunächst einmal intern auszutragen. Die Wirkung des „Zauberschlosses“, als das Theodor Fontane das Schloss Meseberg einmal bezeichnete, soll diese Vorsätze verstärken.

Obwohl die Opposition bereits harsche Kritik am Stil und Entscheidungen der Koalition übt, fühlen sich die Parteioberen in ihrem Kurs bestätigt. Denn bei aller öffentlicher Kritik etwa an den teuren Rentenplänen stehen die Koalitionäre in Umfragen eher gut da. Zwar bescheinigt eine Mehrheit etwa im ZDF-Politbarometer der Großen Koalition einen Stolperstart – sogar einen schlechteren als 2005. Aber laut Befragung der Forschungsgruppe glauben 54 Prozent, dass die Große Koalition gut zusammenarbeiten wird. Und die Parteiwerte haben sich kaum verändert. Nach einer neuen Forsa-Umfrage für „Stern“ und RTL kommt die Union auf 41, die SPD auf 23 Prozent. „Insofern ist es absolut richtig, wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel die Partei jetzt mehr zur Mitte öffnen will“, sagte Forsa-Chef Manfred Güllner zum „Stern“.

Der nach dem Skiunfall immer noch lädierten Kanzlerin kann die Neupositionierung des SPD-Chefs ohnehin egal sein, solange die hohe Zustimmung für die Union nicht sinkt. Nach Meinung von Parteistrategen lauert die größte Gefahr für den Koalitionsfrieden in einem Auseinanderdriften der Umfragewerte für SPD und Union. Dann würde eine Seite nervös. Bereits in der ersten Koalition mit Merkels CDU sah sich die SPD als Opfer einer unfairen Arbeitsverteilung, die unter dem Motto „Rote Teppiche für Merkel, der Maschinenraum für die SPD“ die Runde machte. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann musste sich bereits wieder die Frage gefallen lassen, wie es sich im neuen „Maschinenraum“ anfühle.