Der frühere Industriepräsident erklärt, warum er jetzt Mitglied der Euro-Kritikerpartei ist – und deren Chef so wichtig für die deutsche Politik

Berlin. „Mut zur Wahrheit“ steht auf dem Wahlplakat der Alternative für Deutschland (AfD). Und der nach rechts oben abbiegende rote Pfeil – Teil des Parteiemblems – zeigt genau auf den neuen Star der Partei, der vor versammelter Hauptstadtpresse Platz genommen hat: Hans-Olaf Henkel.

Vor ein paar Tagen ist der frühere Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), bekannt aus vielen TV-Talkshows, in die eurokritische Partei eingetreten. Nun erklärt Henkel erstmals seine Motive für den Parteieintritt. Sein erster öffentlicher Auftritt als AfD-Mitglied gerät zu einer Generalabrechnung mit der deutschen Politik – und zu einer Art Liebeserklärung an Parteichef Bernd Lucke, den Wirtschaftsprofessor aus Hamburg.

Die AfD hat in jüngster Zeit viele negative Schlagzeilen gemacht. In einigen Landesverbänden herrschen wüste Machtkämpfe. Immer wieder gerät die Partei unter Verdacht, von rechtsextremen Kräften unterwandert zu werden. So hat der Bundesverband gerade erst den hessischen Schatzmeister seines Amtes enthoben, der gegen die „internationalen Mafiosi“ gewettert hatte, „die unter dem Deckmantel von Demokratie, Humanismus und Multikulti die Menschheit in einen ökofaschistischen Gefängnisplaneten versklaven wollen“. Und beim hessischen Parteitag am vergangenen Wochenende hatte die Partei kurzerhand die Medien ausgeschlossen, was ihr ebenfalls viel Kritik einbrachte.

Henkel kennt die Kritik. Deshalb holt er lange aus, um seinen Schritt zu begründen. Eine „Art politische Marktforschung“ habe er betrieben, bevor er in die Partei eingetreten sei, sagt Henkel. Mehrfach sei er als Redner für die AfD aufgetreten. Dort habe er den Eindruck gewonnen, dass die Mehrheit der AfD-Mitglieder aus der Mitte der Gesellschaft kämen. Der Vorwurf, die Parteispitze nehme Rechtspopulismus billigend in Kauf, sei „an Niedertracht kaum zu überbieten“. Weder an der Basis noch im Bundesvorstand habe er rechtspopulistische Positionen erkennen können. Die Führung der AfD gehe „mit vollem Einsatz gegen rechtsextreme Elemente auf allen Ebenen vor“, betont Henkel.

Besonders einer habe ihn überzeugt: Bernd Lucke. „Die frische, unkomplizierte und unbestechliche Art des Vorsitzenden hat mich besonders beeindruckt“, sagt Henkel und holt zur ultimativen Lobhudelei aus. „Ja, es stimmt. Eine so sämtliche Klischees über deutsche Politiker über den Haufen werfende Person hat es in der deutschen Politik noch nicht gegeben. Wir brauchen einen Mann wie Bernd Lucke.“

Die Mitgliedschaft in einer Partei sei für ihn bisher eigentlich nicht infrage gekommen, auch wenn es Angebote von SPD und FDP gegeben hätte, erklärt Henkel. Selbst für einen überzeugten Liberalen wie ihn habe es aber in der FDP immer Programmpunkte gegeben, die für ihn untragbar gewesen wären. Zuletzt, als bei ihm die Einsicht gewachsen sei, dass der Euro-Kurs desaströs sei, habe er zunächst versucht, die FDP von dem fatalen Kurs abzubringen. Als dies fehlgeschlagen sei, habe er den Kontakt zu den Freien Wählern gesucht. Doch am Ende würden alle Parteien den eingeschlagenen Euro-Kurs mittragen. „Erst die unverantwortliche Euro- und Europapolitik aller etablierten Parteien und die Aufgabe liberaler Grundsätze in der Europapolitik durch die FDP haben mich bewogen, in die AfD einzutreten“, sagt Henkel. „Die AfD ist die letzte liberale Partei Deutschlands.“

Henkel wird in der Partei künftig eine prominente Rolle spielen. Im anstehenden Europa-Wahlkampf will er als Redner und in Talkshows auftreten. AfD-Spitzenkandidat will der 73-Jährige aber nicht werden. Er wünsche sich und erwarte, dass der erste Platz an den Parteivorsitzenden Bernd Lucke gehe, sagt Henkel. Er könne sich aber eine Kandidatur auf einem Listenplatz direkt dahinter vorstellen.

Auch am Europawahlprogramm der AfD schreibt Henkel bereits maßgeblich mit. „Das Europaprogramm wird nicht gegen Europa, sondern für ein besseres Europa eintreten“, sagt Henkel. Er werde sich für die Abkehr von Zentralismus, Gleichmacherei und Vergemeinschaftung von Schulden und für die Rückkehr zu Subsidiarität, Wettbewerb und Eigenverantwortung einsetzen.

Er bekomme unter vier Augen viel Zuspruch für seinen Parteieintritt

Die AfD werde in ihrem Europawahlkampf drei Alternativen zur jetzigen Euro-Rettungspolitik darlegen, die allesamt besser als die jetzige Rettungspolitik seien: erstens Austrittsmöglichkeiten chronischer Defizitländer, zweitens Austrittmöglichkeiten von Überschussländern wie Deutschland. Oder, wenn beide Optionen nicht machbar seien, die Rückkehr zu nationalen Währungen.

Er selbst bekomme unter vier Augen viel Zuspruch für seinen Schritt, sagt Henkel. Öffentlich traue sich aber kaum jemand, den Euro infrage zu stellen. „Die deutsche Gesellschaft ist noch nicht so weit.“ Deshalb rechne er auch nicht damit, dass ihm andere Prominente aus seinem Umfeld in die AfD nachfolgen könnten.

Es wird spannend zu sehen sein, wie der einstige IBM-Manager und frühere BDI-Chef in der Partei zurechtkommt, die sich nach Auffassung ihrer Kritiker durch die vielen Machtkämpfe in Landesverbänden gerade selbst zerlegt.

Eines kann man Henkel jedenfalls nicht vorwerfen: Dass er es mit seinem politischen Engagement nicht ernst meinen würde. Nach seinen Angaben hat Henkel sämtliche Ämter und Aufsichtsratsmandate am Montag niedergelegt.