Nur 40 Prozent gelingt eine Balance zwischen Nachwuchs und Karriere. Aber das Gros der Männer hält dennoch am Vollzeitjob fest

Berlin. Väter in Deutschland stehen enorm unter Druck. Denn nach wie vor sind es die Männer, die hauptsächlich für den Unterhalt der Familie sorgen. Gleichzeitig wollen immer mehr Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Ihre Partnerinnen verlangen zudem, dass sie im Haushalt anpacken.

Die Folge ist, dass fast jeder zweite Mann mit minderjährigen Kindern klagt, zu wenig Zeit für die Familie zu haben. Nur 40 Prozent finden, dass es ihnen gelingt, eine Balance zwischen Kindern und Karriere zu halten. In Westdeutschland meint dies nur gut ein Drittel aller Väter. Dies sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter 20- bis 55-jährigen Vätern, die das Meinungsforschungsinstituts Forsa für die Zeitschrift „Eltern“ durchgeführt hat.

Jüngst hatte Vizekanzler Sigmar Gabriel für Schlagzeilen gesorgt, weil er ankündigte, jeden Mittwochnachmittag seine zweijährige Tochter vom Kindergarten abholen zu wollen. Ob dem SPD-Chef und Superminister für Wirtschaft und Energie gelingen wird, diesen Wunsch umzusetzen, zumal seine Familie in Goslar wohnt, sei dahingestellt. Aber Gabriel spricht wohl vielen Vätern aus der Seele, die ebenfalls gerne weniger Zeit im Job verbringen würden.

Dass die Zeit, die Männer mit ihren Sprösslingen haben, ein knappes Gut ist, zeigt die Forsa-Studie. 29 Prozent der Väter verbringen an einem Wochentag ein bis zwei Stunden mit ihren Kindern. Jeder Fünfte kann sogar nur zwischen 30 und 60 Minuten aufbringen. Zehn Prozent haben noch weniger Zeit. Immerhin sagen aber auch 38 Prozent, dass sie sich mehr als zwei Stunden am Tag Zeit für den Nachwuchs nehmen. Diese Gruppe der sehr aktiven Väter ist besonders groß, wenn das Kind noch nicht zur Schule geht.

Nur vier Prozent haben einen Teilzeitjob mit weniger als 35 Wochenstunden

90 Prozent der Väter im Westen und 86 Prozent im Osten haben eine Vollzeitstelle, gerade einmal zwei Prozent einen Teilzeitjob mit 30 bis 35 Wochenstunden. Zwei Prozent arbeiten 24 Stunden oder weniger. Tatsächlich zeigen andere Studien, dass Väter sogar längere Wochenarbeitszeiten haben als kinderlose Männer und umso mehr Stunden im Job verbringen, je mehr Nachwuchs sie haben.

Trotz der häufig beklagten Zeitnot ist für zwei Drittel der Väter Vollzeit das bevorzugte Arbeitszeitmodell, gleichermaßen in Ost und West und nahezu unabhängig vom Alter der Kinder oder dem Alter der Väter. Für gut jeden Fünften wäre eine 30- bis 35-Stunden-Woche das Ideal. „Viele Männer würden gerne weniger arbeiten, aber sie wollen keine Teilzeitstelle“, sagt Familienforscher Thomas Gesterkamp: „Väter mögen keine Teilzeit, das hört sich nach fehlender Leistungsbereitschaft an.“

Dabei wäre es in nahezu jedem Betrieb der befragten Väter durchaus möglich, die Arbeitszeit zu verkürzen. Doch diesen Schritt gehen die meisten Männer nicht. Anders ist es mit der Elternzeit, die der Staat mit bis zu 1800 Euro im Monat finanziert.

Von den maximal gewährten 14 Monaten muss der Vater mindestens zwei nehmen, ansonsten gibt es die Geldleistung nur maximal für ein Jahr. 18 Prozent der Väter waren mindestens einmal in Elternzeit. Drei Viertel beschränkten sich dabei auf zwei Monate, Gesterkamp spricht hier von der „Schnupper-Variante“. Unter den 20- bis 39-Jährigen hat sich jeder Dritte schon einmal eine Babypause gegönnt. Da das Elterngeld erst 2007 eingeführt wurde, ist der Anteil unter den Älteren deutlich geringer. Ostdeutsche Männer nehmen fast doppelt so häufig Elternzeit wie Westdeutsche und etwas häufiger auch längere berufliche Auszeiten. Gespalten sind die Väter in der Frage, ob Elternzeit die Karriere beeinträchtigt. 41 Prozent vermuten Nachteile. Fast ebenso groß ist der Anteil derjenigen, die keinerlei Auswirkungen erwarten. Die Furcht vor Nachteilen ist bei denen, die eine Babypause gemacht haben, deutlich geringer: Fast 60 Prozent meinen, das spiele für die Karriere keine Rolle. Offenbar spiegelt dies die eigenen Erfahrungen wider.

Während nur eine kleine Minderheit der Väter aus familiären Gründen auf Teilzeit geht, ist dies bei den Müttern vor allem im Westen die Regel. Wie der „Monitor Familienleben 2013“ des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigt, klagen die Frauen häufiger als Männer über Probleme, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Und trotz ihrer kürzeren Arbeitszeit ist die Zeitnot der Mütter größer als die der Väter. Dies liegt auch daran, dass es meist Sache der Frauen ist, die Wäsche zu waschen, zu kochen oder zu putzen. Wie die Forsa-Umfrage ergab, packen die Männer zwar im Haushalt mit an. Nicht einmal jeder Zehnte sagt, er tue hier gar nichts. Doch die Hälfte räumt ein, nur einen kleinen Teil der Aufgaben zu übernehmen. 27 Prozent sagen, sie übernähmen etwa die Hälfte. Jeder Zehnte macht sogar mehr als die Mütter. Wie die Studie zeigt, teilen sich die Paare im Osten häufiger die Hausarbeit gleichmäßig, zumal hier auch die Frauen häufiger vollberufstätig sind.

Zwar gibt es den Alleinverdiener unter den Vätern nur noch selten. Doch die meisten Paare entscheiden sich dafür, dass der Mann Vollzeit tätig ist. Studien zeigen, dass diese Rollenverteilung meist den Wünschen entspricht. Der Soziologe und langjährige Berater des Familienministeriums Hans Bertram weist darauf hin, dass die meisten Mütter und Väter unterschiedliche Vorstellungen haben, wie viel Zeit sie mit den Kindern verbringen mögen. „60 Prozent der Frauen sagen, Kinder sind ihnen das Wichtigste, aber nur 30 Prozent der Männer.“ Die Mehrheit der Mütter wolle zu Hause bleiben oder Teilzeit arbeiten, solange die Kinder klein seien. Bertram: „Die Väter respektieren das.“ So ist es kein Wunder, dass ein großer Teil der Männer sagt, sie hielten es für wichtig, hart zu arbeiten, um der Familie den Rücken freizuhalten. Allerdings empfinden vor allem die Jüngeren es als Belastung, dass vor allem sie es sind, die für das finanzielle Auskommen der Familie zu sorgen haben.

Stolz ist aber das Gros der Väter, weil sie sich auch um die Babypflege gekümmert hätten. Und zwei Drittel meinen, es sei wichtig, dass sie oft mit ihrem Nachwuchs tobten oder schmusten. Auch wenn die meisten ihren Vollzeit-Job nicht missen wollen, sagen dennoch 80 Prozent: Sie verbringen so viel Zeit wie möglich mit ihrem Kind.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will weiter nach Möglichkeiten suchen, Vätern eine Arbeitszeitreduzierung zu erleichtern. Vor einigen Tagen hatte die Sozialdemokratin gefordert, Eltern sollten ihre Arbeitszeit auf 32 Stunden verkürzen und dafür staatliche Zuschüsse erhalten.

Nicht nur die Arbeitgeber, auch die Kanzlerin erteilten dem Vorstoß eine harsche Absage. „Ich möchte mit Arbeitgebern und Gewerkschaften über Modelle diskutieren, wie es möglich ist, gerade in den Zeiten, wo es dick kommt für die Familien, auch Zeit zu reduzieren“, beharrte Schwesig.