Wie Arbeits- und Sozialkommissar László Andor versucht, die Diskussion in Deutschland zu entschärfen

Brüssel. EU-Sozialkommissar László Andor hält die Debatte um möglichen Sozialmissbrauch innerhalb der EU für „manchmal übermäßig emotional und in die Irre führend“. Das sagte er auf einer Pressekonferenz in Brüssel, bei der er die Regeln für den Bezug von Sozialleistungen in anderen EU-Mitgliedsstaaten vorstellte. Neu sind die nicht – angesichts der Debatte in den vergangenen Wochen veröffentlichte die Kommission aber jetzt einen Leitfaden, der die Anwendung in der Praxis erleichtern soll.

Die Diskussion war Anfang des Jahres in Fahrt gekommen, weil seit dem 1. Januar auch für Bulgaren und Rumänen die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt. Das bedeutet, dass sie keine Arbeitserlaubnis mehr brauchen, um sich in einem anderen EU-Staat niederzulassen. Vor allem die CSU warnt vor einem verstärkten Zuzug von Menschen in die deutschen Sozialsysteme.

Andor versuchte, die Debatte zu entschärfen. Die Freizügigkeit sei eine der größten Errungenschaften der Union – aber es sei auch wichtig, klare Richtlinien gegen Sozialmissbrauch zu haben. Und es gebe eindeutige Vorkehrungen im EU-Recht, „um zu verhindern, dass Menschen die Sozialsysteme anderer EU-Staaten missbrauchen“.

Die Debatte in einigen Mitgliedsstaaten sei nicht durch mangelnde Information entstanden, sondern durch die jeweilige innenpolitische Lage und dadurch, dass es neue Arten der Migration gebe: Menschen, die zuvor nicht ans Auswandern gedacht hätten, täten dies jetzt. Speziell auf die Empörung in Deutschland eingehend, sprach Andor von „Mythen“: „Leute glauben oder berichten manchmal fälschlicherweise, dass Brüssel darauf dränge, jedem vom ersten Tag an Sozialleistungen zu gewähren“, sagte er. „Dies ist definitiv nicht der Fall.“

Es handele sich um ein „Missverständnis“, betonte der Sozialkommissar. Wichtig sei, dass eine Prüfung des Einzelfalls stattfinde. Nach EU-Recht müssen Bürger anderer Mitgliedstaaten genauso behandelt werden wie die eigenen Staatsbürger. Andor bestätigte die Regelung, nach der ein Mitgliedstaat Zuzüglern in den ersten drei Monaten Sozialleistungen verweigern darf – so wird es etwa in Deutschland praktiziert.

Grundsätzlich aber haben Angestellte und Selbstständige auch als EU-Ausländer in dem Mitgliedstaat Anspruch auf Sozialleistungen, in dem sie leben. Anders sieht das bei EU-Bürgern aus, die nicht arbeiten – hier ist der EU-Staat zuständig, in dem sie ihren „gewöhnlichen Aufenthalt“ haben.