Zuschüsse für Verbesserungen der Altersbezüge ab 2018 werden Thema der Kabinettsklausur in Meseberg

Berlin. Die kostspieligen Rentenpläne der Großen Koalition lassen sich auf mittlere Sicht ohne zusätzliche Beitragsanhebungen nur mit mehr Steuergeld bezahlen. Für ihren entsprechenden Vorstoß hatte sich Bundesarbeitsministerin Nahles (SPD) am Wochenende noch Kritik aus den Reihen der Union eingehandelt. Nun steht fest: Fragen im Zusammenhang mit der Finanzierung des ebenso umfangreichen wie teuren schwarz-roten Rentenpakets werden auf der Kabinettsklausur am 22. und 23. Januar in Meseberg zur Sprache kommen. Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin mit. Im Zuge der noch anstehenden Ressortabstimmung werde alles „gemeinsam und einvernehmlich erarbeitet und beschlossen“.

Für diese Legislaturperiode gebe es die „ganz klare Einigung“, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten rentenpolitischen Maßnahmen aus Mitteln der Rentenkasse finanziert würden, sagte Seibert. Für die Finanzierung der Maßnahmen ab 2018 seien bereits Gespräche zwischen dem Arbeits- und dem Finanzressort eingeleitet worden. Dabei spiele „eine mögliche Steuerfinanzierung ab 2018 eine Rolle“. Der Regierungssprecher betonte, dass es beim Thema Rente keinen Dissens zwischen Union und SPD gebe.

CDU/CSU und SPD hatten höhere Renten für Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern sowie eine abschlagsfreie Rente ab 63 für langjährig Versicherte mit 45 Beitragsjahren vereinbart. Zudem soll es Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten für nicht mehr arbeitsfähige Menschen geben. Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums betonte: „Wir werden die Absprachen des Koalitionsvertrags sauber umsetzen.“ Ziel sei es, die Beiträge zur Rentenversicherung auch mittelfristig stabil zu halten. Gegebenenfalls sei dann ein höherer Bundeszuschuss aus Steuermitteln notwendig.

Am Wochenende hatte Nahles zusätzliche Steuermittel zur Finanzierung der Rentenpläne ab 2018 angemahnt – da die Reserven in der Rentenkasse von aktuell 31 Milliarden Euro dann aufgebraucht sind und der Rentenbeitragssatz erhöht werden müsste. Allein die verbesserte Mütterrente schlägt mit jährlich etwa 6,5 Milliarden Euro zu Buche. Nahles will ihren Entwurf für das Rentenpaket noch im Januar ins Kabinett bringen – bereits mit dem erhöhten Bundeszuschuss ab 2018. Um wie viel Geld es geht, werde noch errechnet. Der Bund schießt derzeit gut 80 Milliarden Euro im Jahr in die Rentenkasse zu.

In der Union erntete Nahles ein geteiltes Echo. „Sie sollte sich besser darum kümmern, schnell die Mütterrente und die Rente mit 63 auf den Weg zu bringen“, sagte der Parlamentsgeschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, der „Passauer Neuen Presse“. „Ich frage mich, warum sich Frau Nahles mit einer Frage beschäftigt, die sich erst für 2018 stellt.“ Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) unterstützt dagegen den Vorstoß von Nahles. „Ab 2018 ist es dann notwendig und sinnvoll, die Mütterrente als gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit zusätzlichen Steuergeldern zu finanzieren“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Ähnlich hatte sich schon CSU-Chef Horst Seehofer früher geäußert.

Der Wirtschaftsflügel der Union äußerte dagegen Bedenken: Finanziert werden müssten die Rentenpläne durch Einsparungen an anderer Stelle und keinesfalls über Steuererhöhungen, sagte der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU (MIT), Carsten Linnemann.

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte in Berlin, die Steuerzuschuss-Debatte zeige, dass die schwarz-roten Rentenpläne „mit heißer Nadel gestrickt“ seien. Angesichts der hohen Kosten stelle sich die Frage, ob die Rente mit 63 ein „angemessenes Instrument“ sei: „Man hilft einem relativ kleinen Kreis und belastet einen relativ großen.“ Wenn dafür schon Geld aufgewendet werde, dann nicht zulasten der Beitragszahler, sondern aus dem Bundeshaushalt, forderte Özdemir.

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte am Montag, durch die Rentenpolitik von Union und SPD würden kommende Generationen „doppelt und dreifach belastet“. „In dieser Legislaturperiode plündert die Große Koalition die Rentenkasse, in der nächsten muss es dann mehr Schulden oder höhere Steuern geben“, erklärte Lindner.

Franz Müntefering (SPD), der ehemalige Minister für Arbeit und Soziales, sagte, dass die Rente nicht mit allem belastet werden darf, „was an sonstigen Problemen in der Gesellschaft noch da ist“. Im Deutschlandfunk sagte er – auch in Bezug auf die Mütterrente: „Die Rentenversicherung ist nicht dafür da, Probleme des Arbeitsmarktes oder der sozialen Gesellschaft insgesamt zu finanzieren.“ Das Rentenkonzept der Großen Koalition enthalte zwar eine Menge guter Vorschläge, doch es gebe einige Schwachpunkte wie die Lebensleistungsrente und die Rente mit 63, die es zu überdenken gelte. Wenn die Rente nicht mehr von Höhe und Dauer der Einzahlung abhängig sei, dann entstünde eine „gewisse Beliebigkeit“. „Rente ist ein System, in dem Menschen sich gegenseitig versichern, und wer viel einzahlt, kriegt auch viel raus“, so der SPD-Politiker. Man müsse an diesem Solidaritätsprinzip festhalten.

Umstritten sind vor allem die Bedingungen, unter denen Arbeitnehmer abschlagsfrei nach 45 Beitragsjahren mit 63 Jahren in Rente gehen könne. Bisher durften Versicherte ohne Abschläge erst nach 45 Versicherungsjahren mit 65 Lebensjahren in Rente. Zeiten von Arbeitslosigkeit wurden nicht berücksichtigt. Ab 1. Juli 2014 soll das für Neurentner mit 45 Versicherungsjahren schon im Alter von 63 Jahren möglich sein.

In den Koalitionsverhandlungen hatten CDU, CSU und SPD zunächst über eine begrenzte Anrechnung von fünf Jahren Arbeitslosigkeit auf die Rente mit 63 gesprochen. Diese Einschränkung findet sich aber auf Drängen der SPD nicht mehr im Koalitionsvertrag. Die Sozialdemokraten fordern eine unbegrenzte Anrechnung. Würden aber sämtliche Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt, könnte in Zukunft nach Angaben der Rentenversicherung jeder zweite Mann (und jede siebte Frau) von der Rente mit 63 profitieren. Die Union verlangt deshalb eine Beschränkung auf fünf Jahre; Kanzlerin Angela Merkel hat diese Zahl auf dem kleinen Parteitag der CDU im Dezember genannt.