Streit zwischen Seehofer und Aigner über die Energiewende wurde angeblich aufgebauscht. Parteichef erklärt, warum er Kontroversen nicht zulässt

Kreuth. Streit in der CSU? Hat es nicht gegeben, behauptet die Parteispitze nach dem öffentlich ausgetragenen Konflikt zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer und seiner Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Demonstrative Harmonie weit und breit – selbst mit dem US-Botschafter trotz der heiklen Geheimdienst-Affäre. Doch der Parteichef fürchtet um Wahlchancen.

Horst Seehofer stehen ein paar Schweißperlen im Gesicht. Erstmals seit ewigen Zeiten liegt zur Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Wildbad Kreuth kein Schnee. Deswegen ist es aber noch lange nicht warm dort oben in den Bergen. Vielmehr gefriert der Tau auf der Straße. Doch das Scheinwerferlicht und die Fragen an den CSU-Chef nach seinem Streit mit Aigner über die Energiewende erzeugen Hitze. Die CSU hat ihren Jahresauftakt verpatzt. Am Tag zwei der Klausurtagung will davon keiner mehr etwas wissen. Alles an den Haaren herbeigezogen, sagt Aigner. Die Medien seien Schuld, sie hätten Zitate falsch gedeutet. Und wichtige Sätze weggelassen, beklagt Seehofer. Umarmung für die Kameras. „Fotos sagen mehr als 1000 Worte“, sagt Aigner. Fotos sagen nicht immer die Wahrheit, wissen nicht nur Fotografen.

Es gibt auch noch andere Bilder an diesem Mittwoch: Der US-Botschafter John B. Emerson kommt im Trachtenjanker, schwärmt vom schönen Bayern, lobt die guten Gespräche mit der CSU und beschwört den gemeinsamen Willen zu einer noch engeren transatlantischen Partnerschaft. Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt zeigt viel Verständnis für Washingtons zögerliche Aufarbeitung der Ausspäh-Affäre des Geheimdienstes NSA. Emerson freut sich, dass die Abhöraktionen in dem Gespräch nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten.

Vor den Abgeordneten holt Seehofer dann nach, was er schon am Dienstag machen wollte: die Landesgruppe im Bundestag auf das erste Jahr in der Großen Koalition mit den Sozialdemokraten und die Wahlen 2014 einstimmen. Sein wichtigstes Anliegen richtet sich aber nach innen. „Ich kann acht Wochen vor einer kleinen Landtagswahl überhaupt keine kontroversen Debatten zulassen“, sagt der Ministerpräsident mit Blick auf die Kommunalwahl am 16. März in Bayern. Er will damit so verstanden werden, dass er zwar andere Meinungen respektiere, aber Streit nicht lange laufen lassen könne.

Über die Feiertage hatte die CSU mit ihren Vorschlägen zur Umsetzung des neuen schwarz-roten Koalitionsvertrags die politischen Debatten geprägt. Sie provozierte die SPD von Vizekanzler Sigmar Gabriel mit Äußerungen zum Mindestlohn, zur Rente und zur Zuwanderung. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) revanchierte sich mit der Ankündigung, die Vorratsdatenspeicherung erst einmal weiterhin auf Eis zu legen. Doch die CSU war zufrieden mit sich. In Kreuth wich dieser Eindruck.

Seehofer formuliert seine Bedenken, dass parteiinterner Disput der CSU die Kommunalwahl oder die Europawahl verhageln könnte. Seine eigene Position in der Großen Koalition muss auch er erst noch festigen. Mit Gabriel steht ihm ein anderes politisches Kaliber gegenüber als zuvor mit Vizekanzler Philipp Rösler (FDP). Streit mit der SPD ist für Seehofer okay – innerhalb der CSU für ihn aber eine Gefahr für einen Erfolg bei den Kommunalwahlen und bei der Europawahl im Mai.

Seehofer pfiff seine Ministerin aber wohl auch deshalb so rüde zurück, weil Aigners Aktion dazu angetan war, die Konzeptionslosigkeit der Staatsregierung zu offenbaren. Die Nerven liegen blank in München beim Thema Energiewende. Es gibt natürlich Konzepte. Eines von 2011 und eine spätere Überarbeitung. Aber sie enthalten vor allem Luftbuchungen. Die CSU marschiert mit Riesenschritten auf das Verfehlen ihrer Pläne zu. Das Ziel einer autarken bayerischen Stromversorgung, wie es offiziell noch existiert, ist wohl unerreichbar.

In einem Jahr geht das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld vom Netz. Das sieht das Gesetz zum Atomausstieg vor. Es handelt es sich dabei um eine Säule der bayerischen Energieversorgung. Diese gründet sich zu rund 60 Prozent auf Kernkraft. 2011 sah es noch so aus, als wäre das kein Problem. Im Energiekonzept war der Bau von fünf Gaskraftwerken vorgesehen. Doch keines ist gebaut worden. Bayern droht bei der Grundlastversorgung, also dann, wenn Sonne und Wind nicht helfen, eine empfindliche Lücke.

Und dann ist da noch die ständige Frage nach der Kronprinzessin. Seehofer hat Aigner selbst mehrfach als seine mögliche Nachfolgerin bezeichnet und sie demonstrativ auch nach dem Disput wieder seine „Kronprinzessin“ genannt. Aigner hält das alles für eine lächerliche Diskussion. „Wir haben einen guten Ministerpräsidenten, den haben wir auf alle Fälle für die nächsten Jahre. Dann gibt es Neuwahlen. Und deshalb stellt sich diese Frage überhaupt nicht“, betont sie – und fügt hinzu: „Abgesehen davon haben wir keinen König.“ Prinzessin ohne König? Alles nur Spaß. Wirklich?