Der junge Chef sieht seine Partei „so unabhängig wie niemals zuvor“ und bekräftigt Pro-EU-Kurs

Stuttgart. FDP-Parteichef Christian Lindner hat seine aus dem Bundestag geflogene Partei zum Jahresauftakt auf einen Neustart eingeschworen. Beim traditionellen Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart forderte er die Liberalen auf, die Wahlniederlage vom September auch als Chance zu begreifen. Er bekräftigte den Pro-Europa-Kurs der FDP, sprach sich aber auch für Reformen in der EU aus. „Für seine Zukunft braucht Europa weder Skepsis noch Romantik. Europa braucht mehr Realismus und Bürgernähe“, rief er unter Applaus den rund 1400 Zuhörern im voll besetzten Opernhaus zu.

Nach der Wahlniederlage und der personellen Neuaufstellung sieht Lindner seine Partei nun in einer historischen Lage mit großen Chancen: „Wir sind so unabhängig, in der Sache und politisch, wie niemals zuvor in unserer Geschichte. Und das ist die neue Stärke der FDP: die Unabhängigkeit im Urteil und die Eigenständigkeit in der Sache.“ Viele Menschen in Deutschland wünschten sich eine starke liberale Partei. „Wir haben es in der Hand“, sagte er am Ende seiner Rede.

Die Liberalen hatten 2013 erstmals den Einzug in den Bundestag verpasst. Gebrochene Wahlversprechen, soziale Kälte, interne Machtkämpfe und die Bindung an die Union gelten als die zentralen Fehler. 2014 stehen neben der Europawahl im Mai drei Landtagswahlen im Spätsommer sowie übers Jahr verteilt elf Kommunalwahlen an, bei denen die FDP wieder Boden gutmachen will. Zum Jahresauftakt in Stuttgart waren neben Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher auch Ex-Fraktionschef Rainer Brüderle und Ex-Parteichef Wolfgang Gerhardt gekommen.

Genscher sieht seine Partei bei Lindner in guten Händen. Er habe volles Vertrauen in ihn. „Ich bin nicht mit Wehmut gekommen, sondern mit Mut“, sagte Genscher. In diesem Jahr sei das Dreikönigstreffen besonders wichtig, da der Neustart der FDP gelingen müsse. „Und das schaffen wir auch.“

Lindner sprach sich mit Blick auf Europa für eine Verkleinerung der EU-Kommission und die Stärkung des Europäischen Parlamentes aus. In Europa trage eine „fatale Mischung aus Technokratie und Pathos“ dazu bei, dass die Menschen den Eindruck hätten, ihnen wichtige Themen würden in Brüssel nicht wahrgenommen. Er bezeichnete die mangelnde Integration von Zuwanderern als eines der zentralen europäischen Probleme. Die Regierungen müssten sich an einen Tisch setzen, um dieses Problem anzupacken. Zudem bekannte er sich zur Freizügigkeit in Europa: „Wer zu uns kommt, um hier zu arbeiten und Steuern zu zahlen, der ist hier willkommen. Den fragen wir auch nicht, wo er herkommt, sondern wohin er mit uns will.“ Jedoch gebe es „objektive Probleme“, mit kaum beschulbaren Kindern, verwahrlostem Wohnraum und steigender Kriminalität. Mit diesen Problemen dürften die Städte nicht länger alleingelassen werden.