CSU warnt vor Missbrauch von Sozialleistungen. SPD gegen „Hetzparolen“. Deutsche skeptisch

Berlin . Im Koalitionskrach über die Zuwanderungspolitik sticheln die Parteien trotz mancher Beschwichtigungsversuche weiter. Die CSU sieht sich in ihrer Forderung bestätigt, einen Missbrauch von Sozialleistungen härter zu ahnden und Kommunen zu helfen, in denen viele arbeitslose Migranten leben. In der SPD hält sich der Vorwurf, der Koalitionspartner wolle mit „Hetzparolen“ im bevorstehenden Europa-Wahlkampf Stimmung machen.

Hintergrund des Streits ist ein CSU-Papier für die Klausurtagung in Wildbad Kreuth in dieser Woche. Darin fordert die Bundestagsgruppe der Partei, härter gegen sogenannte Armutszuwanderung vorzugehen. Mit diesem Begriff umschreibt die CSU gering qualifizierte Migranten, die nach Einschätzung der Partei in Deutschland vor allem Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollten, aber kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. Besonders umstritten in dem Papier ist der Satz „Wer betrügt, der fliegt“.

Seit dem 1. Januar brauchen EU-Bürger aus Rumänien und Bulgarien keine Arbeitserlaubnis mehr, um sich in Deutschland niederzulassen. Diese Ausweitung der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit war Auslöser des aktuellen Streits. Im September 2013 arbeiteten schon 160.000 Bulgaren und Rumänen in Deutschland, 126.000 davon in sozialversicherten Jobs.

Städte wie Berlin, Dortmund, Duisburg oder Mannheim klagten aber auch über den Zuzug von Menschen aus Osteuropa ohne Jobchancen. Derzeit wird vor deutschen Gerichten darüber gestritten, ob sie Anspruch auf Sozialhilfe haben. Das schwarz-rote Bundeskabinett will an diesem Mittwoch einen Staatssekretärs-Ausschuss einsetzen. Das Gremium soll prüfen, ob und welche Maßnahmen gegen den möglichen Missbrauch von Sozialleistungen notwendig sind.

Trotz der damit angestrebten Versachlichung des Streits warf der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer dem Koalitionspartner Heuchelei vor. „Ich finde es erschreckend, wie groß die Unkenntnis von SPD-Mitgliedern der Bundesregierung über die von ihnen gefassten Beschlüsse ist“, sagte der bayerische Ministerpräsident dem „Münchner Merkur“. Im Koalitionsvertrag finde sich der gleiche Inhalt wie in dem von der SPD kritisierten CSU-Positionspapier.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte „Bild“: „Was wir nicht brauchen, sind Wahlkampfparolen.“ Er halte „nichts davon, dieses Problem künstlich großzureden. Aber wir dürfen es auch nicht verniedlichen.“ Vorstandsmitglied Ralf Stegner sagte „Handelsblatt Online“: „Es ist eine Sache, Probleme zu lösen und beispielsweise die besonders von Zuzug betroffenen Kommunen zu unterstützen. Es ist etwas völlig anderes, mit Hetzparolen Ängste zu schüren, um bei bayerischen Kommunalwahlen oder den Europawahlen vermeintlich Wähler davon abzuhalten, AfD oder NPD die Stimme zu geben.“

Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Volker Bouffier sprang der Schwesterpartei aus Bayern bei: „Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass niemand gern sein Heimatland verlässt. Wenn er es aus Armut tut, dann müssen wir ihn dort unterstützen. Gleichzeitig müssen wir aber auch einfordern, dass er sich darum bemüht, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten“, sagte der hessische CDU-Regierungschef der „Welt am Sonntag“.

Jeder zweite Deutsche (55 Prozent) zeigte sich einer YouGov-Umfrage im Auftrag der „Bild am Sonntag“ besorgt über Zuwanderer aus Osteuropa. 80 Prozent der Befragten sind dagegen, dass Zuwanderer bei sozial- und familienpolitischen Leistungen sofort mit Deutschen gleichgestellt werden.