Weichenstellungen 2014: Die Europawahl im Mai wird zum Gradmesser für FDP und AfD. Auch Kommunal- und Landtagswahlen sorgen für Signale

Berlin/Brüssel. Auch für die parlamentarische Demokratie gelten manchmal Fußballweisheiten. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Im Vergleich zum „Superwahljahr“ mag das Wahljahr 2014 unscheinbar wirken – ohne Bundestagswahl. Tatsächlich werden in diesem Jahr aber Entscheidungen fallen, die die politische Landschaft in Deutschland und Europa verändern und über die Zukunft einiger Politiker entscheiden. Für einige wird 2014 zur Zitterpartie. Andere können auf einen Karrieresprung hoffen.

Wenn Ende Mai zum achten Mal das Europäische Parlament direkt gewählt wird, könnte das für die Rechtspopulisten zur Stunde des Triumphes werden. Bestätigt sich der Trend aus den Umfragen, werden sie das Parlament dominieren. So hat in Großbritannien der Chef der euroskeptischen UKIP, Nigel Farage, das Ziel ausgegeben, stärkste Kraft zu werden.2009 hatte es die UKIP auf Platz zwei, hinter den Konservativen, geschafft. Farage sitzt seit 1999 im Europäischen Parlament, wo er um Verbündete für sein Projekt, den Austritt Großbritanniens aus der EU, wirbt.

Verliert die AfD die Europawahl, fehlt ihr parlamentarische Verantwortung

In Frankreich könnte die Front National die große Siegerin sein. Umfragen sehen sie vor den Sozialisten. Das liegt in erster Linie an der Enttäuschung vieler Franzosen über die Politik des sozialistischen Präsidenten François Hollande. Front-National-Chefin Marine Le Pen hat angekündigt, mit dem Niederländer Geert Wilders, dem Chef der islamfeindlichen Partei der Freiheit, eine Fraktion zu gründen.

Für die Alternative für Deutschland (AfD) dürfte die Europawahl existenzentscheidend sein. Nachdem sie es nicht in den Bundestag geschafft hat, fehlt ihr jede parlamentarische Verankerung. Ohne diese dürfte es schwer werden, sich politisch zu entwickeln.

Ein Härtetest ist die Europawahl auch für eine andere Partei: die FDP. Am Abschneiden der Liberalen wird sich zeigen, ob es Parteichef Christian Lindner gelungen ist, die FDP neu aufzustellen. Zumal er die Neuausrichtung auf dem Sonderparteitag Anfang Dezember damit begonnen hatte, indem er die Partei auf einen pro-europäischen Kurs einschwor. Der „Euro-Rebell“ Frank Schäffler wurde bei der Wahl der Vizevorsitzenden abgestraft; die Delegierten ließen ihn durchfallen. Gut für die FDP: Bei der Europawahl muss sie voraussichtlich nur die Drei-Prozent-Hürde schaffen. Würde sie hinter der AfD landen, hätte Lindner ein Problem.

Auch für Martin Schulz geht es um eine Schicksalswahl. Der Präsident des Europaparlaments möchte Präsident der EU-Kommission werden, ist Spitzenkandidat der europäischen Sozialisten. Das ist möglich, weil bei dieser Wahl erstmals die europäischen Parteien Spitzenkandidaten nominieren konnten. Gewönne Schulz, wäre er der wichtigste Deutsche in der EU.

Nebenbei wird diese Wahl auch über die Karriere eines zweiten Sozialdemokraten entscheiden: Der trat im November vom Amt des Wirtschaftsministers in Thüringen zurück, nachdem bekannt geworden war, dass er zum Ministeramt Ruhebezüge aus seiner Zeit als Staatssekretär im Bundesumweltministerium erhalten hatte. Matthias Machnig leitet nun die Europawahl-Kampagne der Sozialdemokraten.

Aber auch in einigen Bundesländern wird es spannend. In Thüringen könnte 2014 erstmals ein Politiker der Linken Ministerpräsident werden. In den Umfragen liegt die Linke auf dem zweiten Platz hinter der CDU. Bereits 2009 versuchte Linksfraktionschef Bodo Ramelow, auf dieser Grundlage die Linke in die Regierung des Bundeslandes zu bringen, scheiterte aber an der SPD, die mit der CDU koalierte.

Bei der Kommunalwahl in München will die CSU die „rote Hauptstadt“ erobern

Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hält sich noch eine andere Option offen: mit den Grünen. Aber eine Fortsetzung der Koalition mit der SPD schließt sie vorsichtshalber nicht aus. In den Umfragen liegt die CDU vorn und über ihrem Ergebnis von 2009. Einen Koalitionspartner wird sie dennoch benötigen. Der Termin für die Landtagswahl steht noch nicht fest.

In Sachsen wird am 31. August gewählt. Die Opposition kritisiert, dass der Termin in den Ferien liegt. Allerdings ist es der letzte Tag vor Schulbeginn; die meisten werden aus dem Urlaub zurück sein. Ministerpräsident Stanislaw Tillich will mit der FDP weitermachen – und diese mit ihm, schließlich ist es die einzige Landesregierung, an der die Liberalen beteiligt sind. In den Umfragen liegt die CDU in Führung, und auch die FDP brachte es auf fünf Prozent.

Für eine andere Partei in Sachsen wird die Landtagswahl – jenseits des bundesweiten Verbotsverfahrens – das Aus bedeuten. Die rechtsextreme NPD hatte es zuletzt auf 5,6 Prozent und acht Sitze gebracht. Das lag an der Bekanntheit ihres Vorsitzenden Holger Apfel, der Bundesvorsitzender der NPD war. Im Dezember trat er von seinen Ämtern zurück und verließ die Partei.

Eng könnte es für Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) werden. Dort wird am 14. September gewählt. Weil Woidke nicht so populär ist wie sein zurückgetretener Vorgänger Matthias Platzeck, hofft die CDU, ihn ablösen zu können. Es wäre auch das Ende der bundesweit einzigen rot-roten Landesregierung.

Was die Kommunen betrifft, hat 2014 doch noch den Titel „Superwahljahr“ verdient: In elf Bundesländern sind Kommunalwahlen. Spannend wird es in München: Weil SPD-Oberbürgermeister Christian Ude wegen der Altersgrenze nach 20-jähriger Regentschaft nicht mehr kandidieren kann, rechnet sich die CSU Chancen aus, die „rote Hauptstadt" zurückzuerobern.