Senator Neumann glaubt an Erfolg des Verbotsverfahrens. Ex-Parteichef Apfel tritt aus

Berlin. Das Jahr 2013 lief nicht gut für die NPD. Erst drehte die Bundestagsverwaltung der rechtsextremen Gruppierung wegen nicht beglichener Strafzahlungen den Geldhahn der staatlichen Parteienfinanzierung zu. Bei der Bundestagswahl im September gewannen die Nationaldemokraten lediglich 1,3 Prozent der Stimmen. Und Anfang Dezember schließlich reichte der Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht einen Verbotsantrag ein: Mithilfe einer umfangreichen Materialsammlung wollen die Bundesländer belegen, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und eine Gefahr für die demokratische Grundordnung darstellt.

Die Klagebegründung erreichte Karlsruhe in einem Umzugskarton. „Bevor wir in eine materielle Prüfung eintreten, haben wir den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben“, sagte Verfassungsrichter Peter Müller vom zuständigen Zweiten Senat über das weitere Verfahren.

Der frühere saarländische Ministerpräsident machte deutlich, dass die Entscheidung von Bundesregierung und Bundestag, sich dem Verbotsantrag des Bundesrats nicht anzuschließen, die Erfolgsaussichten des Verbotsverfahrens keineswegs mindern: „Es reicht, wenn ein Verfassungsorgan den Antrag stellt. Ob sich andere anschließen, ist für den Gang des Verfahrens ohne Belang.“ 2003, beim ersten Anlauf zu einem NPD-Verbot, hatten noch alle drei Verfassungsorgane den Antrag eingereicht.

Die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aufgestellte Hürde, wonach bei einem Parteienverbot eine unmittelbare Gefahr für die Demokratie bestehen müsse, wird beim Verfahren in Karlsruhe nur eine untergeordnete Rolle spielen. „Bei der Auslegung des Grundgesetzes berücksichtigen wir die Wertungen, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ableitet. Eine weitergehende Bindung gibt es aber nicht“, sagt Müller. „In der Normenhierarchie hat die Europäische Menschenrechtskonvention den Rang eines einfachen Gesetzes.“

Doch das Damoklesschwert des Verbotsverfahrens scheint in der Partei derzeit ohnehin nur eine Nebenrolle zu spielen. Über die Weihnachtsfeiertage jedenfalls beschäftigte sich die NPD mit einer internen Schlammschlacht.

So teilte ein Sprecher des Bundesvorstands am ersten Feiertag mit, dass der ehemalige Bundesvorsitzende Holger Apfel seinen Austritt aus der Partei erklärt habe. Erst vergangene Woche hatte Apfel den Parteivorsitz niedergelegt und zugleich den Fraktionsvorsitz im sächsischen Landtag aufgegeben. Zur Begründung hatte er gesundheitliche Probleme angegeben. Seinen Parteiaustritt begründet Apfel nun damit, dass ihn seine Gegner auch nach dem Rückzug von seinen Ämtern nicht ruhen ließen.

Gegen Apfel waren innerparteilich zahlreiche Vorwürfe erhoben worden, die nach seinem Rücktritt nicht verstummten. Apfel selbst schrieb von „persönlich niederträchtigen Beleidigungen über körperliche bzw. sprachliche Unzulänglichkeiten“ sowie die ihm „entgegengeschleuderte Häme“ nach seiner „kurzzeitigen familiären Trennung 2012“.

Sein Brief an den Vorstand der Partei war vorige Woche kurz auf der Homepage der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ einsehbar gewesen. Das Fass zum Überlaufen brachten laut Apfel offenbar „dieser Tage nun zunehmend ehrverletzende Verleumdungen“ gegen seine Person.

Die Vorwürfe jedenfalls sind brisant – und werden in der Szene seit Wochen verbreitet. Laut dem linken Bremer Recherche-Blog „Schattenbericht“ soll Apfel, der verheirateter Vater von drei Kindern ist, im vergangenen Bundestagswahlkampf sexuell übergriffig geworden sein. Das Opfer soll ein Student der Hochschule für Wissenschaft, Technik und Kultur in Leipzig sein. Der 20-Jährige gehört demnach der NPD-nahen Kameradschaft Leipzig-Möckern an und hatte im August die Partei bei einer Wahlkampftour begleitet. In NPD-Kreisen sollen Apfel belastende Videoaufnahmen existieren. Damit soll ihm ein Ultimatum gesetzt worden sein: Entweder du trittst als Parteichef zurück, oder wir machen die Vorwürfe öffentlich.

In seiner Rücktrittserklärung sagte Apfel, die Verleumdungen seien „zwar haltlos, aber mir ist bewusst, dass ich den damit verbundenen Makel nicht losbekommen werde“. Tatsächlich ist Apfel, der seit November 2011 die Partei führte, in der rechtsextremen Szene umstritten, weil er vorgeblich eine Strategie der „radikalen Seriosität“ verfolgte und damit der NPD – zumindest vordergründig – ein bürgerlicheres Image geben wollte.

Die NPD soll nun vorerst von Udo Pastörs geführt werden, teilte die Partei zu Wochenbeginn nach einer Präsidiumssitzung mit. Pastörs ist bisher einer der Vize-Parteichefs sowie NPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Er gilt als einer der Hardliner der Extremistenpartei.

Es wird sich zeigen, ob der Führungswechsel Auswirkungen auf die Verteidigungsstrategie der NPD im Verbotsverfahren haben wird. Der Hamburger Innensenator Michael Neumann jedenfalls sieht in dem Verfahren einen Grund für die Krise der rechtsextremen Partei. „Es wird jetzt auch für den Letzten offenbar, wessen Geistes Kind diese Partei ist“, sagte der SPD-Politiker. „Der zunehmende Druck, auch durch das begonnene Verbotsverfahren, zeigt endlich Wirkung.“