Die erste Verteidigungsministerin der deutschen Geschichte lächelt vieles weg – ihre atemberaubende Karriere basiert auf ungewöhnlichen Fertigkeiten

Berlin. Bald wird es die Bilder aus Afghanistan geben. Sie werden eine zierliche Frau in Schutzweste und mit Helm zeigen, umgeben von Soldaten – die Ministerin auf ihrem ersten Truppenbesuch. Die Mischung aus martialischen Symbolen und Zartheit wird eine Faszination ausüben, wie sie zuvor nur die Auftritte von Karl-Theodor zu Guttenberg an der Front hatten.

Ursula von der Leyen hat eine atemberaubende Karriere hinter sich. 2001 übernahm sie erste kommunalpolitische Ämter. Zwei Jahre später schaffte sie es dank ihres Förderers Christian Wulff in den Landtag und wurde Landessozialministerin. Heute, knapp 13 Jahre später, hat sie nicht nur zwei Bundesministerien geleitet, sondern ist die erste Verteidigungsministerin in der deutschen Geschichte. Was sind die Strategien ihres Erfolgs?

Kind eines Spitzenpolitikers zu sein ist kein Garant für eine politische Karriere. Aber man wächst in einem Umfeld auf, in dem die Techniken der Politik – Kungeln, Netzwerken, Knüpfen von Kontakten – Alltag sind. Als sie 17 Jahre war, wurde Ernst Albrecht überraschend der erste CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen. Er überlebte ein Misstrauensvotum und den Verlust der parlamentarischen Mehrheit seiner Fraktion, bevor er 1990 das Amt an seinen SPD-Herausforderer Gerhard Schröder verlor. Von der Leyen bewunderte den Vater zutiefst. Umgekehrt hatte sie den Ruf, sein Lieblingskind zu sein, sein „Röschen“.

Ihr Lächeln sollte nicht täuschen: Sie kann von unbeirrbarer Zielstrebigkeit sein. 2001 nahm sie per Kampfkandidatur und mit nur einer Stimme Mehrheit einem altgedienten Parteifreund den Wahlkreis in Burgdorf, dem Heimatort ihres Vaters, ab. Als es wegen eines ungültigen Stimmzettels zur Wiederwahl kam, nutzte sie die Hilfe ihres Vaters und eine Kampagne gegen den Rivalen, um sich durchzusetzen. Am Ende gewann sie mit Zweidrittelmehrheit. Als Arbeitsministerin brach sie mit dem ungeschriebenen Gesetz, dass man sich nicht in die Arbeit der eigenen Nachfolgerin einmischt. Mit thematischen Übergriffen wie beim Thema Frauenquote (das sie in ihren Zeiten als Familienministerin nur mäßig interessiert hatte) führte sie Kristina Schröder immer wieder vor.

Wer sieben Kinder hat, neigt zur Disziplin. Die 55-Jährige gehört eindeutig zur Sorte der Aktenfresser. Und sie versteht sich auf eine besondere Kunst: Sie kann politisches Stroh zu Gold verwandeln und aus einem Scheitern einen Sieg machen. Das Ministerium für „Gedöns“ (O-Ton Gerhard Schröder) verwandelte sie mit Elterngeld, Krippenausbau und Vätermonaten in das umtriebigste und populärste Ressorts des Kabinetts. Weniger erfolgreich war sie als Arbeitsministerin. Groß angekündigte Projekte wie der Kampf gegen die Altersarmut, die Bildungsgutscheine, die Kombi-Rente scheiterten oder fanden kaum Anklang. Ursula von der Leyen ließ sich davon nicht irritieren.

So rasant ihre Karriere auch verlief, so hat sie auch schon einige Niederlagen wegstecken müssen. Ihr Abschlussprojekt im Familienministerium, eine Sperre von Netzseiten mit kinderpornografischem Inhalt, entwickelte sich zum politischen Rohrkrepierer. Die Netzgemeinde tobte gegen „Zensursula“. Es war einer der seltenen Momente, in denen von der Leyen die Stimmung falsch eingeschätzt hatte.

Nach der Wahl 2009 wäre sie gern Gesundheitsministerin geworden, hatte schon die Koalitionsverhandlungen dazu geführt. Doch die Kanzlerin schickte sie ins Familienministerium zurück. Von der Leyen machte gute Miene zum bösen Spiel. Kurz danach wurde sie nach dem Rücktritt von Franz Josef Jung Arbeitsministerin.

Ihre größte Niederlage: Als 2010 Bundespräsident Horst Köhler überraschend zurücktrat, wurde von der Leyen als Favoritin für die Nachfolge gehandelt. Sie konnte nur schlecht verbergen, wie gern sie ins Schloss Bellevue gezogen wäre. Dann entschied sich die Kanzlerin für Christian Wulff. Von der Leyen gestattete sich einen Moment der Schwäche. Sie habe in den letzten Tagen geweint, sagte sie einer Reporterin der „Welt am Sonntag“. Dann lächelte sie die Niederlage weg.

Das Verteidigungsministerium wird die größte Herausforderung. Scheitert sie, dürfte das Ende ihres Aufstiegs besiegelt sein. Reüssiert sie, ist sie reif für die Kanzlerkandidatur.