Bundeswehrverband: Job ist Chance und Risiko zugleich

Berlin. Seit Dienstag, 12.30 Uhr, ist Ursula von der Leyen (CDU) Verteidigungsministerin. Nach der Ernennung durch Bundespräsident Joachim Gauck wird sie im Bundestag vereidigt. Weiter geht es in den Bendlerblock, wo Amtsvorgänger Thomas de Maizière (CDU) ihr die Geschäfte übergibt. Gemeinsam legen sie einen Kranz am Ehrenmal für die gefallenen Soldaten nieder. Jetzt trägt die 55-Jährige die Verantwortung für 185.000 militärische und 70.000 zivile Mitarbeiter der Bundeswehr. Die philosophischen Abhandlungen über die gesellschaftspolitische Bedeutung der Berufung einer Frau als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt werden rasch an Interesse verlieren. Der Ministerin, die offen zugibt, auf dem Feld der Sicherheitspolitik „absolut neu“ zu sein, werden fachliche Entscheidungen abverlangt.

Sie will sich um familienfreundliche Arbeitsbedingungen kümmern

Mit Zitaten aus dem Koalitionsvertrag über Deutschlands wachsende Bedeutung in der Welt, die „riesige Managementaufgabe“ der Bundeswehrreform und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist es nicht mehr getan.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, der Interessenvertretung der Soldaten, hat zu erkennen gegeben, dass er sich lieber Kontinuität an der Spitze des Wehrressorts gewünscht hätte. Für von der Leyen werde es „eine der größten Herausforderungen werden, in diesem Ressort zu bestehen“, sagte Oberstleutnant André Wüstner. Der neue Job sei für Ministerin und Truppe „Chance und Risiko zugleich“.

Wüstners Katalog der Aufgaben ist anspruchsvoll. Erstens übernehme die Misterin das Amt in der heißen Phase der komplexesten Reform der Bundeswehrgeschichte. Zweitens sei 2014 das Jahr des Übergangs im Afghanistan-Einsatz. Drittens müsse Deutschland in Europa dringend Impulse setzen für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. „Viertens muss sie den Übergang von der Wehrpflicht- in eine Freiwilligen-Armee gestalten. Bundeswehr und Gesellschaft dürfen dabei nicht auseinanderdriften.“

Konkrete Entscheidungen stehen an. So muss von der Leyen beim unvollendeten Drohnenprojekt Euro Hawk in kürzester Zeit Antworten geben. Es wird erwartet, dass die Ministerin Anfang des Jahres ein neues Trägersystem für die Aufklärungstechnik der Drohne präsentiert. Deshalb müsse sie sich schnell in die Strukturen ihres Apparats einarbeiten, mahnte Wüstner: „Da wird sie gegebenenfalls schneller zu einer Getriebenen als zu einer Gestalterin.“

Auch von der Leyens Ankündigung, sich besonders um familiengerechte Arbeitsbedingungen für die Soldaten zu kümmern, will der Bundeswehrverband im Auge behalten: „Damit hat sie die Messlatte hoch gelegt“, sagte Wüstner. „Und ich hoffe, dass sie nicht drunter durchschlüpfen wird.“

Die ersten Personalentscheidungen sind bereits getroffen. Mit Markus Grübel und Ralf Brauksiepe (beide CDU) bringt von der Leyen zwei neue parlamentarische Staatssekretäre mit. Grübel kann auf Erfahrungen als Mitglied des Verteidigungsausschusses verweisen. Zuletzt war er Obmann der Union im Euro-Hawk-Untersuchungsausschuss, kennt sich mit dem Pannenprojekt aus. Brauksiepe ist Arbeits- und Sozialpolitiker, er muss sich ins Aufgabenfeld erst einarbeiten, wie seine Chefin.

Wichtiger für die tägliche Arbeit sind die beamteten Staatssekretäre, Rüdiger Wolf und Stéphane Beemelmans. Der 62-jährige Wolf geht dem Vernehmen nach davon aus, in den Ruhestand versetzt zu werden. Beemelmans, Wegbegleiter de Maizières, gilt als einer der Hauptverantwortlichen für das misslungene „Euro Hawk“-Management. Das Vertrauen seines alten Chefs hat er verloren. Es ist kaum vorstellbar, dass die Ministerin an ihm festhält.