54 Nachwuchspolitiker fordern Neuaufstellung der Union. Kritik an Rentenvereinbarungen mit der SPD

Berlin. Als sich vor wenigen Wochen die Mitglieder des einst mächtigen „Anden-Paktes“ der CDU trafen, sorgte dies kaum noch für Aufsehen. Auch die Parteivorsitzende Angela Merkel musste nicht fürchten, dass von dem Polit-Rentnertreffen mit Unions-Männern wie Roland Koch, Christian Wulff oder Friedrich Merz noch ernsthafte Gefahr für sie ausgeht. Ähnlich gelassen konnte die Kanzlerin bei der Gründung eines unionsinternen konservativen „Berliner Kreises“ vor einigen Monaten bleiben. Aber seit Sonnabend gibt es in der CDU eine neue Gruppierung, die Merkel ernster nehmen muss. Denn 54 jüngere CDU-Abgeordnete aus Bund und Ländern haben sich zur Initiative „Heute die richtigen Entscheidungen für 2017“ zusammengeschlossen.

Schon der Name macht klar, worauf sie zielt. Es geht um die Macht nach dem erwarteten Rückzug der Kanzlerin in einigen Jahren. Bei den Unterzeichnern des Papiers handelt es sich um Mitglieder des CDU-Präsidiums und des Bundesvorstands, Vizefraktionschefs im Bundestag, Regierungsmitglieder, Fraktionsvorsitzende und Generalsekretäre aus den Ländern. Keiner von ihnen ist älter als 44 Jahre. Alle streben nach Höherem.

Angedeutet hat sich die Entwicklung seit einigen Wochen. Gerade unter den jungen CDU-Politikern gibt es eine dreifache Motivation, die Stimme zu erheben. Erstens wächst seit den Koalitionsverhandlungen mit der SPD die inhaltliche Unzufriedenheit. Denn die Parteiführungen von CDU, CSU und SPD kippten Vorschläge aus den Arbeitsgruppen, etwa schnelle Internetverbindungen viel stärker zu fördern oder den Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttosozialprodukt auf ehrgeizige 3,5 Prozent anzuheben. Stattdessen entschieden sich die Altvorderen für milliardenschwere Rentengeschenke. „Unsere Sorge, dass das vereinbarte Rentenpaket inklusive der abschlagsfreien Rente mit 63 die Erfolge der Rentenpolitik der letzten 15 Jahre gefährden könnte, bleibt“, heißt es in dem am Wochenende veröffentlichten gemeinsamen Aufruf der Initiative.

Unmittelbar vor der Abstimmung des CDU-Bundesausschusses mit seinen 181 Delegierten über den Koalitionsvertrag am heutigen Montag fordern die Unterzeichner ausdrücklich eine „Agenda 2020“, also die Rückbesinnung auf eine wirtschaftliche Reformpolitik. Zudem müsse sich die CDU von einer „reinen Mitglieder- zur Mitmachpartei“ wandeln. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe rechnet trotzdem mit einer breiten Zustimmung in der Union zur Großen Koalition. „Mir ist bewusst, dass sich der eine oder andere in unserer Partei hier und da manches anders gewünscht hätte. Ein Koalitionsvertrag bedeutet immer Kompromisse“, kommentiert er den Unmut vor allem der Jüngeren in den eigenen Reihen. Aber die CDU habe zentrale Anliegen wie die Sicherung von Wirtschaftskraft und Beschäftigung durchgesetzt.

Zweitens sind viele der jüngeren CDU-Abgeordnete nachhaltig enttäuscht, dass die Unentschiedenheit der Grünen-Spitze und die klare Präferenz der CSU für eine Große Koalition eine schwarz-grüne Regierung verhindert hat. Ausdrücklich betonen die 54 CDU-Politiker aus Bund und Ländern deshalb, dass ein Bündnis mit der SPD nur eine Übergangslösung sein könne. Stattdessen wolle man die Kontakte zur FDP halten und neue zu den Grünen knüpfen. Längst ist in Anlehnung an frühere Annäherungen in Bonn von einer neuen „Pizza-Connection“ die Rede. „Schwarz-Grün wäre neu, spannend und mutig gewesen“, sagte etwa der Gesundheitspolitiker Jens Spahn, einer der Organisatoren von „CDU 2017“.

Das dritte Motiv sind persönliche Ambitionen: Zu der Gruppe gehören machtbewusste Politiker wie Philipp Mißfelder, der als Junge-Union-Chef bereits CDU-Präsidiumsmitglied ist, und der CDU-Fraktionsvorsitzende im thüringischen Landtag, Mike Mohring. Dazu kommen einflussreiche Politiker wie der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Günter Krings oder Michael Kretschmer als Generalsekretär der sächsischen CDU. Vorsichtshalber versichert die Gruppe Merkel klare Loyalität. Aber der Hinweis, dass derzeit 30 Prozent der Erstwähler und 37 Prozent der 25- bis 34-Jährigen die Union wählen, ist auch als Wink gedacht, dass Politiker dieser Altersgruppen in führenden Positionen sichtbar sein sollen.

Ein Aufstand in der CDU ist die Bildung der neuen Gruppe deshalb noch lange nicht – zumal die Tatsache, dass sich unter den 54 Namen nur vier Frauen finden, eine entscheidende Schwäche offenbart. Anders als der „Anden-Pakt“ früher scheinen die „Jungen Wilden“ der CDU aber eine realistischere Einschätzung ihrer Ansprüche zu haben: Weder stellen sie CDU-Chefin Merkel selbst zur Disposition, noch ist die Berufung von CDU-Politikern wie Wolfgang Schäuble, Peter Altmaier, Thomas de Maizière oder Ursula von der Leyen in das neue Bundeskabinett parteiintern wirklich umstritten. Aber die Jüngeren melden früh und laut Ansprüche für die kommenden Jahre an – entweder für nötige Änderungen in dieser Legislaturperiode oder aber für 2017. So antwortet der 33-jährige Spahn der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ auf die Frage, ob er Gesundheitsminister werden wolle: „Ich bin gerne Abgeordneter. Das werde ich die nächsten vier Jahre bleiben.“ Was danach kommt, erwähnt er nicht.