Alexander Graf Lambsdorff, Chef der FDP im Europaparlament, über den NSA-Abhörskandal

Hamburg. Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden erklärte sich bereit, dem Europaparlament per Videoübertragung Fragen zu seinen Enthüllungen zu beantworten. Dann wird auch Alexander Graf Lambsdorff dabei sein. Er ist Vorsitzender der FDP im Europaparlament und bei den Wahlen im Mai Spitzenkandidat der Liberalen.

Hamburger Abendblatt:

Der US-Geheimdienst sammelt offenbar Standortinformationen von Mobiltelefonen – es sind Milliarden Datensätze, jeden Tag. Was löst das bei Ihnen als Liberalen aus?

Genau diese Massenspeicherung ist das, was CDU und SPD für Deutschland wollen, das ist die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, die die FDP bisher verhindert hat. Klar ist: Die Datenmengen sind so groß, dass man sich ernsthaft fragen muss, ob sie überhaupt ausgewertet werden können. Das ist ein Problem, denn wenn Fehler geschehen, geraten Unschuldige ins Visier und echte Gefährder entkommen. Deswegen ist ein risikobasierter Ansatz in der nachrichtendienstlichen Arbeit nicht nur aus Gründen des Datenschutzes besser, er ist auch erfolgreicher in der Gefahrenabwehr.

Gibt es Möglichkeiten, den US-Geheimdiensten Einhalt zu gebieten?

Zum einen müssen wir Europäer besser werden, was unsere eigene Sicherheit angeht. Zum anderen muss die rechtsstaatliche Kontrolle in den USA greifen. Bei dieser Schleppnetzfahndung werden ja auch US-Bürger erfasst, die vor derlei Zugriffen durch ihre eigene Verfassung geschützt sind, so wie wir in Deutschland durch das Grundgesetz. Und obwohl der 11. September 2001 im Gedächtnis der USA noch sehr präsent ist, hat auch dort eine Debatte über die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen begonnen.

Die Bundesregierung stellt sich hin und behauptet, sie hätte nichts gewusst.

Es ist mir unerklärlich, wie deutsche Sicherheitsdienste über Jahre nicht zur Kenntnis nehmen konnten, dass von der US-Botschaft aus das Handy der Kanzlerin und politische Institutionen in Deutschland abgehört wurden. Da bedarf es einer Aufklärung des Geheimdienst-Versagens in einem Untersuchungsausschuss. Klar ist: Wir müssen die Spionageabwehr stärken – gegen die USA, vor allem aber gegen China und Russland, die weit mehr gegen uns operieren als die USA, inklusive massiver Wirtschaftsspionage.

Im Mai ist Europawahl. Kommt die FDP wieder über fünf Prozent?

Das ist unser Ziel, ganz klar, und die Große Koalition bietet uns jede Menge Angriffspunkte. Die SPD will europaweite Mindestlöhne, und die CDU stimmt auch noch zu. Im Koalitionsvertrag ist eine europäische Sozialpolitik angelegt. Da werden wir klare Kante zeigen. Aus Sicht der FDP ist Sozialpolitik am besten, wenn sie nah am Menschen gemacht wird, also von Kommunen, den Bundesländern oder im Bund. Aber nicht in Brüssel.

Ist die Partei Alternative für Deutschland vielleicht doch eine Konkurrenz für die FDP?

Die Partei ist intern zerstritten, da zeigen sich erste Auflösungstendenzen. Es fehlt ihr zudem an einer ernst zu nehmenden Agenda, außer Euro-Ablehnung ist da nichts. Dagegen kann die FDP ihre Stärken bei den Themen Marktwirtschaft und Bürgerrechte ausspielen.