Renten- und Mindestlohnpläne werden begrüßt. Merkel bleibt Beliebtheitskönigin

Berlin. Die Deutschen sind derzeit ein ausgesprochen zufriedenes Volk. In wesentlichen Fragen stimmen sie mit den insoweit absehbaren Regierungsplänen der Großen Koalition überein und arrangieren sich im großen Ganzen auch mit deren Spitzenpersonal. Würde am kommenden Sonntag gewählt, wäre das Ergebnis ungefähr das Gleiche wie zur vergangenen Bundestagswahl. Das zeigen die jüngsten Ergebnisse des Deutschlandtrends im Auftrag von ARD-Tagesthemen und der „Welt“.

Aktuell bekäme die Union 43 Prozent (plus ein Prozent). Die SPD würde 25 Prozent erreichen (minus eins). Beide Parteien liegen derzeit also nahe an ihrem Wahlergebnis vom 22. September. Der Wähleranteil sowohl der Grünen (zehn Prozent) als auch der Linken (neun Prozent) ist unverändert. Gleiches gilt für AfD (vier Prozent) und FDP (drei Prozent), die weiterhin unterhalb der Mandatsschwelle für eine Bundestagswahl blieben.

Aber die Meinungsforscher haben auch Mut machende Botschaften für die FDP, die an diesem Wochenende zu ihrem ersten Bundesparteitag seit dem Wahldebakel zusammenkommt. So würden es sechs von zehn Bundesbürgern (59 Prozent) bedauern, wenn die Partei keine Rolle mehr in der deutschen Politik spielen würde. Eine Mehrheit lehnt zudem die Aussage ab, dass die FDP nicht mehr gebraucht wird (62 Prozent) – im September lag der Wert noch 16 Prozentpunkte niedriger. Auch die Zahl jener Bürger, die die Liberalen als sozial kalt bezeichnen, ist mit 44 Prozent (minus 13 Punkte) deutlich gesunken. Eine von den Liberalen selbst in Auftrag gegebene dimap-Erhebung kommt sogar zu dem Ergebnis, dass sich 34 Prozent der potenziellen FDP-Wähler vorstellen können, ihr Kreuz schon im kommenden Frühjahr wieder bei den Freidemokraten zu machen. Das ist ein Potenzial von immerhin 2,7 Millionen Wahlberechtigten.

Bei der Beurteilung der Gesamtlage herrscht stabiler Optimismus vor. Drei von vier Bundesbürgern sind der Meinung, dass die wirtschaftliche Lage des Landes sehr gut (neun Prozent) bzw. gut (zwei Drittel) ist. Vor dem Hintergrund der Probleme in vielen anderen EU-Ländern ist die Einschätzung der ökonomischen Situation hierzulande so positiv wie noch nie im ARD-Deutschlandtrend.

Auf Platz eins der beliebtesten Politiker bleibt weiterhin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), mit deren Amtsführung 68 Prozent (minus eins) zufrieden sind. Knapp dahinter kommt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU, 66 Prozent). Hohe Zustimmungswerte bekommen auch die SPD-Politiker Hannelore Kraft (54 Prozent), Frank-Walter Steinmeier (53 Prozent) und Sigmar Gabriel. Dicht dahinter folgt ein Unions-Trio aus Ursula von der Leyen (49 Prozent, plus drei), Horst Seehofer (48 Prozent, plus sechs) mit deutlichem Plus und Thomas de Maizière (47 Prozent). Von den drei abgefragten Spitzenvertretern der Oppositionsparteien ist Gregor Gysi mit großem Abstand der Populärste mit 45 Prozent (plus fünf). Damit erreicht der Linke-Fraktionsvorsitzende fast seinen bisherigen Rekordwert unmittelbar vor der Bundestagswahl. Der SPD-Vorsitzende Gabriel geht gestärkt aus den Koalitionsverhandlungen hervor. Derzeit sind 51 Prozent mit seiner Arbeit zufrieden. Dies ist sein zweithöchster Wert im ARD-Deutschlandtrend (plus sieben).

Der zwischen Union und SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag wird in seinen Kernmaßnahmen in hohem Maße unterstützt. Größten Zuspruch findet die Regelung, nach 45 Beitragsjahren ohne Abschläge mit 63 Jahren in Rente zu gehen. 84 Prozent finden dies richtig. Mit 81 Prozent Zustimmung fällt die Unterstützung der Rentenverbesserungen für Mütter von vor 1992 geborenen Kindern ebenfalls sehr hoch aus. Auch der Mindestlohn von 8,50 Euro ab 2017 erfreut sich mit 78 Prozent großer Zustimmung. Dabei sind sich die Anhänger von Union und SPD bei Rentenfragen praktisch einig. Sie werden von beiden Seiten mit Mehrheiten von gut 80 Prozent als richtig erachtet. 52 Prozent stimmen aber der von verschiedenen Seiten geäußerten Kritik zu, dass damit künftige Generationen zu sehr belastet würden. Den Mindestlohn befürworten 90 Prozent der SPD- und 69 Prozent der Unions-Anhänger.

Bei den Themen Pkw-Maut und doppelte Staatsbürgerschaft gehen die Voten in den Lagern auseinander. Die Autobahngebühr findet die Unterstützung von drei Viertel der Unionswähler, ist aber bei SPD-Anhängern sehr umstritten (48:49 Prozent). Eine umgekehrte Verteilung findet sich bei der doppelten Staatsbürgerschaft, die 67 Prozent der SPD-Wähler für richtig halten (Unions-Anhänger 48 zu 48).

Mit dem Spitzenpersonal der geplanten Großen Koalition ist die Wahlbevölkerung im Wesentlichen recht zufrieden. Aus Sicht von 66 Prozent sollte Sigmar Gabriel ein Ministeramt übernehmen, lediglich ein knappes Drittel spricht sich dagegen aus (31 Prozent). Ähnlich große Unterstützung erfahren Schäuble (73:25 Prozent) und der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier (70:26 Prozent), die jeweils rund sieben von zehn wieder am Kabinettstisch sehen wollen. Auch die CDU-Politiker Ursula von der Leyen (63:35 Prozent), Thomas de Maizière (53:41 Prozent) und Peter Altmaier (47:39 Prozent) wollen die Befragten mehrheitlich in der nächsten Regierung sehen.

60 Prozent der Befragten finden auch, die CDU sollte den Finanzminister stellen. Schäuble hatte dem Düsseldorfer „Handelsblatt“ gesagt, er habe seiner Partei geraten, das Finanzressort zu behalten. Und wenn Merkel ihm den Posten anbiete, „dann würde ich nicht ablehnen“. Das stößt auf den Widerstand der SPD. „Es ist noch offen, welche Ministerien wir beanspruchen“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Und der Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD-Rechten, der Hamburger Abgeordnete Johannes Kahrs, meint: „Wenn die CDU die Kanzlerin stellt, hat als Nächstes die SPD das Zugriffsrecht und sollte das Finanzministerium wählen.“

Mehrheitlich kritisch sehen die Bürger die Ministeranwartschaft des jetzigen Kanzleramtsministers Ronald Pofalla (25:52 Prozent). Dies gilt auch für die drei CSU-Politiker, die derzeit als wahrscheinliche Regierungsmitglieder gelten. Am deutlichsten ist die Ablehnung bei dem aktuellen christsozialen Generalsekretär Alexander Dobrindt (18:38 Prozent), aber von Verkehrsminister Peter Ramsauer (40:49 Prozent) und dem amtierenden Innenminister Hans-Peter Friedrich (32:40 Prozent) sind die Bürger auch nicht sonderlich begeistert. Nur im Freistaat werden Ramsauer und Friedrich im Kabinett gern gesehen. Bei Dobrindt sind sogar die Bayern skeptisch.

Bei aller Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage trübt das historische Zinstief bei Spareinlagen die Stimmung. Für die Mehrzahl der Bürger (52 Prozent) gibt diese Entwicklung Anlass zur Sorge, wenn sie an ihre Ersparnisse und ihre Rücklagen für die Altersversorgung denken. Rund vier Zehntel (42 Prozent) sehen die Situation indes eher gelassen. Überdurchschnittlich stark sind die Befürchtungen mit 64 Prozent bei den jüngeren Bürgern unter 30 Jahre. Die Generation der über 60-Jährigen macht sich hingegen nicht mehr Sorgen als der Durchschnitt.