Bei der Besetzung der Ministerposten in einer Großen Koalition hält sich die SPD völlig bedeckt. Dem CSU-Chef kann es nicht schnell genug gehen

Berlin/München. Horst Seehofer ist ungeduldig. Der CSU-Vorsitzende will endlich entscheiden, und prescht vor. So ist es seine Art. Wenn Union und SPD am Mittwoch – aller Voraussicht nach – ihre Koalitionsvereinbarung präsentieren werden, dann will Seehofer gleich die Besetzung der Ministerien klären.

Er habe „nichts gegen personelle Klarheit schon nächste Woche“, sagte der bayerische Ministerpräsident beim CSU-Parteitag am Sonnabend in München. Schon zuvor hatte er durchblicken lassen, dass sein bisheriger Generalsekretär Alexander Dobrindt Bundesminister in Berlin werden soll. Dagegen übt sich SPD-Chef Sigmar Gabriel in Personalfragen noch in Geduld.

Der SPD-Vorsitzende schweigt, was seine eigenen Ambitionen betrifft. Da jedes weitere Teil im Minister-Puzzle, über das die SPD verfügt, von der Zukunft Gabriels abhängt, bleibt diesem gar nichts anderes übrig als zu zögern. Völlig ungeklärt sei die eigene Minister-Mannschaft, hieß es am Sonntag in SPD-Kreisen. Schon die Frage, ob die Namen der sozialdemokratischen Minister am Mittwoch bekannt gegeben werden, kann die Partei bislang nicht beantworten.

Der Druck auf die SPD aber nimmt zu. Die Ressortbesetzung offenzuhalten, sei nicht vermittelbar, heißt es selbst in den eigenen Reihen. Wie sollte dies mit der von Gabriel an anderer Stelle versprochenen Transparenz begründet werden? In den letzten zwei Verhandlungstagen, mutmaßen Sozialdemokraten, werde sich die Parteiführung doch durchringen die eigenen Minister zu benennen – so kompliziert es für Gabriel auch sein mag.

Womöglich kann der Parteivorsitzende auf die Ungeduld Seehofers schneller reagieren, als es noch am Wochenende schien. Bereits am Sonntagnachmittag kamen die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, und Seehofer zu einem Spitzentreffen zusammen. Gabriel sprach am Sonntagnachmittag beim Gewerkschaftstag der IG Metall in Frankfurt am Main.

Der finale Verhandlungsmarathon aber dürfte eine ganz eigene Dynamik schaffen. Zu Beginn dieser Woche tagen fast alle Gremien der Koalitionsverhandlungen. Am Montagvormittag kommt die engere Führung der SPD („Montagsrunde“) zusammen, anschließend tagt die Steuerungsgruppe, bestehend aus: Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU), den Generalsekretären Hermann Gröhe (CDU), Alexander Dobrindt (CSU) und Andrea Nahles (SPD) sowie SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Später kommt die kleine Runde zusammen, 15 Spitzenpolitiker, angeführt von den Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Seehofer und Gabriel. Die Sprecher der Arbeitsgruppen sollen stets „stand by“ verfügbar sein.

Am Dienstag wiederholt sich dieser Gremien-Reigen. Ab 18 Uhr sind interne Treffen der Parteien geplant, bevor um 19.30 Uhr die große Runde zu tagen beginnt – mit „open end“, wie es heißt. Am Mittwoch dürften die Verhandlungsführer vor der Bundespressekonferenz auftreten; Fragen von Journalisten zum Kabinettspersonal liegen auf der Hand. Für den Nachmittag sind Fraktionssitzungen angesetzt, gibt es doch am Donnerstag eine Sondersitzung des Bundestages. Bereits am Donnerstagabend will SPD-Chef Gabriel auf einer Regionalkonferenz seiner Partei im hessischen Hofheim für den Koalitionsvertrag werben.

Womöglich wird Gabriel dabei einige Worte zum Personal sagen. Die Ressortverteilung sei eben noch schwieriger als vermutet, heißt es in SPD-Kreisen. Die Ausgangslage ist kompliziert: Gabriel muss für sich selbst Klarheit schaffen: Will er Energie-, Arbeits- oder Finanzminister werden?

Sollte mit Frank-Walter Steinmeier ein weiterer „halber“ Niedersachse Außenminister werden, wäre dessen Nachfolge an der Fraktionsspitze zu klären. Die Frauen wollen hier eine Frau sehen, womöglich Generalsekretärin Andrea Nahles oder Ex-Justizministerin Brigitte Zypries. Nahles aber käme auch für das Ressort Arbeit und Soziales infrage. Als Nachfolgerin im Amt des Generalsekretärs wird in SPD-Kreisen die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen gehandelt. Gabriel gefiele ein Fraktionschef Oppermann, der aber würde lieber Minister. Drei niedersächsische Männer auf sechs (oder sieben) Ministerposten aber wären kaum vermittelbar. Die Hälfte der Ministerämter soll an Frauen gehen.

Nordrhein-Westfalen muss im Kabinett vertreten sein, und wohl kaum nur für das Ressort wirtschaftliche Zusammenarbeit. SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks – Frau aus NRW – passte in dieses Schema, ist aber bei Gabriel wenig gelitten. SPD-Vize Manuela Schwesig sorgt sich dem Vernehmen nach, ob sie Familienministerin wird. Wetten möchten Sozialdemokraten nur, dass sie das Arbeitsministerium bekommen werden, das als Spiegel-Ressort geltende Gesundheitsministerium nicht. Das Bundesinnenministerium ginge wohl an die Union, das Ressort Justiz an die SPD. Sollte Gabriel auf das Energie- und Wirtschaftsministerium zugreifen, fielen Finanzen an die Union.

Gabriel und Nahles ließen sich zum Thema Personalien kein Wort entlocken, als sie am Wochenende auf den ersten Regionalkonferenzen vor der Parteibasis für die Große Koalition warben. Gabriel warnte vor Neuwahlen und rief die SPD-Mitglieder auf, einem künftigen Koalitionsvertrag mit der Union trotz Unbehagens zuzustimmen. Während die Union geschlossen das Ziel des Regierens verfolge, beschäftige sich die SPD vor allem mit sich selbst. „Der Selbsthass ist in keiner Partei so ausgeprägt wie bei uns“, sagte Gabriel. Die skeptischen Jungsozialisten im Saal sprach er direkt an. Diese Koalition nicht eingehen? „Wir reden über das Schicksal der deutschen Sozialdemokratie in den nächsten zwei, drei Jahrzehnten.“