Bundesregierung sieht in Bericht zur Einheit positive Tendenzen in fast allen Bereichen

Berlin. Nach mehr als 20 Jahren Aderlass ist die Abwanderung aus Ostdeutschland weitgehend gestoppt. Erstmals seit der Wiedervereinigung zogen im Jahr 2012 ungefähr so viele Menschen von Ost- nach Westdeutschland wie umgekehrt, heißt es im aktuellen Jahresbericht zur Deutschen Einheit. Dazu hätten die deutlich verbesserte Lage auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt und die insgesamt gute wirtschaftliche Situation in den neuen Bundesländern beigetragen.

„Fast eine Generation nach der Wiedervereinigung haben sich die ökonomischen Lebensverhältnisse in den ost- und westdeutschen Bundesländern, insbesondere der materielle Wohlstand, deutlich verbessert“, zitiert die „Bild am Sonntag“ aus dem Bericht, den Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) an diesem Mittwoch im Kabinett vorlegen wird.

Die jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit belegen allerdings: Die Arbeitslosenquote liegt in den ostdeutschen Bundesländern weiter deutlich über dem westdeutschen Durchschnitt: 9,5 Prozent waren es im Oktober in Ostdeutschland (Oktober 2012: 9,8), im Westen lag die Quote zuletzt bei 5,8 Prozent (2012: 5,6).

Zudem habe sich die Angleichung an das Wirtschaftsniveau in Westdeutschland in den vergangenen Jahren verlangsamt, heißt es in dem Bericht der amtierenden schwarz-gelben Bundesregierung. Dies wird mit der noch besseren Entwicklung im Westen begründet. 2011 erreichte das ostdeutsche Bruttoinlandsprodukt je Einwohner 71 Prozent des westdeutschen Niveaus – dieser Wert bleibt unverändert.

In den vergangenen Jahren sei „aus der einstigen Planwirtschaft eine wissensbasierte Industrieregion mit zunehmend wettbewerbsfähigen Unternehmen geworden“. In dem Bericht werden zahlreiche Beispiele für die positive Lage aufgeführt. So gehörten die ostdeutschen Arbeitnehmer „im Hinblick auf Qualifikation, Engagement und Flexibilität zur weltweiten Spitzengruppe“. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes sei stark gestiegen und liege über dem EU-Durchschnitt, weit vor Frankreich und Großbritannien.

Die Bundesregierung legt den Einheitsbericht jedes Jahr vor. Der Osten Deutschlands ist im Vergleich mit dem Westen seit Jahren wirtschaftlich im Rückstand. Im vergangenen Jahr wurde festgestellt, dass die Angleichung des Wirtschafts- und Wohlstandsniveaus zumindest vorangekommen ist. Allerdings belegte der Bericht 2012 in vielen Bereichen auch einen enormen Aufholbedarf: Die Arbeitslosenquote war noch immer fast doppelt so hoch wie im Westen, Löhne und Renten in Ostdeutschland deutlich niedriger.

Zu positiven Standortfaktoren in den ostdeutschen Ländern zählt die Regierung das gute Kinderbetreuungsangebot und eine gute Schulinfrastruktur. Sie seien mitentscheidend für die Gewinnung von Fachkräften. Gleichwohl zeige die Statistik ein differenziertes Bild: Zwar leben die meisten jungen Leute mit Abitur in Sachsen, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. Aber es gibt in den ostdeutschen Ländern auch die anteilig meisten Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss.