Hamburgs Grüne üben Kritik an Windkraft-Drosselung und fordern Kurskorrektur von Bürgermeister Scholz bei Gesprächen in Berlin

Hamburg/Berlin. Grüne und Gewerkschaften im Norden kritisieren die Pläne einer möglichen schwarz-roten Koalition zur Drosselung der Windkraft. Vertreter der Unternehmen im Norden halten die Vorschläge der Fachpolitiker von Union und SPD dagegen für sinnvoll. Der Präsident des Unternehmerverbands Nord, Uli Wachholtz, sagte dem Abendblatt: „Es scheint, dass die zukünftigen Koalitionäre endlich anfangen, die Energiewende zu organisieren und in sinnvollere Bahnen zu leiten, die wir seit Jahren anmahnen.“

Der deutsche Alleingang auf diesem Gebiet zusammen mit der Tatenlosigkeit habe Deutschland in die Sackgasse geführt. „Die Bezahlbarkeit von Energie hat höchste Priorität für Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland“, sagt Wachholtz. An tief greifenden Veränderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes komme eine künftige Bundesregierung nicht vorbei, hob Wachholtz hervor. Sein Verband mit Sitz in Hamburg vertritt die Interessen der Wirtschaft im Norden. Ihm gehören nach eigenen Angaben 34.000 Unternehmen in Schleswig-Holstein und Hamburg an.

Bei den Koalitionsgesprächen in Berlin hatte sich die Arbeitsgruppe Energie darauf verständigt, die Fördersätze bei Windstrom an Land zu verringern, besonders an windstarken Standorten. Davon gibt es im Norden besonders viele. Bei Windparks in Nord- und Ostsee soll das Ausbauziel bis zum Jahr 2020 von 10.000 auf 6500 Megawatt gesenkt werden.

Das schwierige Thema der Energiewende – es ist offenbar eine der Fragen, bei denen die Vertreter von Union und SPD schnell einen gemeinsamen Kurs festlegen konnten. Grundsätzlich einig sind sich die potenziellen Koalitionäre über die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Die SPD kann offensichtlich gut damit leben, den Ausbau des Ökostroms zu bremsen. Gestritten wird noch um Vorgaben für den künftigen Marktanteil der erneuerbaren sowie um die SPD-Forderung nach einer Förderung auch für die Bereitstellung fossiler Kraftwerkskapazitäten.

Deutliche Kritik an den Plänen von SPD und Union üben die Grünen in Hamburg. „Hamburg ist die deutsche Windenergie-Hauptstadt. Offshore ist wichtig für unsere Region“, sagte Jens Kerstan, energiepolitischer Sprecher und Fraktionschef der Grünen in der Bürgerschaft, dem Abendblatt. Kerstan forderte den Bürgermeister zu einer Kurskorrektur bei den Gesprächen in Berlin auf, an denen Olaf Scholz (SPD) maßgeblich beteiligt ist. „Olaf Scholz muss in den Koalitionsverhandlungen verhindern, dass die Kohlepolitik von gestern die norddeutsche Zukunftsbranche abwürgt“, sagte Kerstan. Staatsrat Christoph Krupp verteidigt dagegen die Beschlüsse in Berlin. Krupp hat an den Gesprächen zwischen SPD und Union für den Senat mitverhandelt. Für Hamburg sei die Windkraft auf dem Meer ein wichtiger Baustein für das Gelingen der Energiewende, hebt Krupp hervor. „Um das neue Ziel von 6500 Megawatt auch wirklich zu schaffen, brauchen die Investoren Sicherheit“, sagt Krupp. Dies gelinge nur, wenn Firmen die heute bereits geltende EEG-Umlage kennen, die sie bei der Inbetriebnahme ihres Windparks in einigen Jahren dann auch erhalten.

Aus Sicht des Hamburger Senats ist eine Drosselung der Förderung durch den Staat bei den Erneuerbaren Energien insgesamt möglich: Windparks und Anlagen für Solarenergie könnten heute günstiger produziert werden, weil die Technologie besser sei. Zum anderen müssten Produzenten nach Jahren hoher staatlicher Garantien nun stärker in das Geschäft mit Käufern wie Stromanbietern oder Stadtwerken treten.