Antikorruptionsorganisation fordert mehr Rechtssicherheit von künftiger Bundesregierung

Berlin. Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland hat die künftige Bundesregierung aufgefordert, den Schutz von Whistleblowern zu verbessern. Für Arbeitnehmer, die auf Missstände hinweisen, müsse in Deutschland Rechtssicherheit geschaffen werden, forderte die Vorsitzende der Organisation, Edda Müller, in Berlin bei der Vorstellung eines Berichts zum Whistleblower-Schutz in der EU.

Die Organisation fordert Deutschland außerdem auf, dem ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in Deutschland Aufnahme zu gewähren. Snowden sei der „personifizierte Whistleblower“, sagte Müller. Er habe Dinge aufgedeckt, die der Allgemeinheit dienten. So habe er auf die Gefahren des „schrankenlosen Sammelns, Verknüpfens und Auswertens“ von personenbezogenen Daten in der Cyberwelt hingewiesen. Snowden habe auch aufgezeigt, wie die USA befreundete Regierungen ausspähen.

„Es geht nicht nur um das Handy der Kanzlerin“, betonte Müller. Auch die Daten von Privatpersonen und Unternehmen in Deutschland seien ausgespäht worden. Der IT-Spezialist befindet sich derzeit in Russland, wo ihm vorübergehend Asyl gewährt wurde. In den USA wird er wegen Landesverrats gesucht, dort droht ihm eine langjährige Haftstrafe.

Einer Altenpflegerin, die Verstöße anprangerte, wurde gekündigt

Der von Transparency International veröffentlichten Studie zufolge bieten nur vier EU-Staaten Hinweisgebern, die auf Missstände aufmerksam machen, einen guten Schutz: Großbritannien, Luxemburg, Rumänien und Slowenien. In Deutschland und anderen EU-Staaten gibt es nur einen eingeschränkten Schutz. In sieben Ländern genießen Whistleblower keinen oder nur sehr geringen Schutz. Untersucht wurden alle EU-Staaten außer Kroatien, das der Gemeinschaft erst im Juli beigetreten ist.

In Deutschland werden der Studie zufolge nur Beamte ausreichend vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen geschützt. Sie dürfen sich bei Korruptionsverdacht direkt an die Staatsanwaltschaft wenden. Für Tarifangestellte im öffentlichen Dienst und Arbeitnehmer der Privatwirtschaft gilt dies nicht. Die wohl auch künftige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse nun tätig werden, forderte Transparency Deutschland. Die SPD müsse sich dafür bei den Koalitionsverhandlungen einsetzen, wie sie es im Wahlkampf versprochen habe. Transparency erinnerte daran, dass die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die G20-Gruppe und der Europarat einen besseren Schutz für Whistleblower in Deutschland fordern. Die OECD habe Berlin Anfang 2011 ermahnt, ihre Empfehlungen binnen zwei Jahren umzusetzen – ohne Erfolg.

Im Juli 2011 hatte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Diskussion entfacht. Die Richter rügten die Kündigung einer Berliner Altenpflegerin, die Missstände an ihrer Arbeitsstätte angeprangert hatte, als Verstoß gegen das Recht auf Meinungsfreiheit.