Tourismus- und Automobilverband fürchten negative Auswirkungen. Verkehrsministerium prüft Vignetten-Lösung wie in Österreich

Berlin. Sie ist eines der großen Streitthemen in den derzeit laufenden Verhandlungen von Unionsparteien und SPD über eine Große Koalition. Nun warnen auch Wirtschaftsverbände vor einer Pkw-Maut für Ausländer auf deutschen Autobahnen. Der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) warnte Union und SPD am Wochenende vor der Einführung einer solchen Straßenbenutzungegebühr. BTW-Generalsekretär Michael Rabe sprach in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ von einer Gefahr für Tausende Arbeitsplätze. „Nachdem die EU-Kommission signalisiert hat, grundsätzlich keine rechtlichen Einwände gegen eine Pkw-Maut für Ausländer zu haben, ist die Versuchung natürlich groß, eine solche Reform zu beschließen. Aber sie würde Mobilität und Tourismus in und nach Deutschland weiter verteuern und damit zu einer schweren Belastung für die Branche werden.“

Rabe sagte, die Pkw-Maut würde sich nahtlos in eine ganze Reihe von Zusatzkosten einfügen, die den Touristen in den vergangenen Jahren bereits aufgebürdet worden seien – von Bettensteuern bis zur Luftverkehrsteuer. „Auch wenn das Reiseziel Deutschland derzeit bei in- und ausländischen Gästen äußerst beliebt ist, dürfen Geduld und Geldbeutel der Besucher nicht endlos strapaziert werden.“ Deutschland stehe als Reiseziel im harten Wettbewerb zu ausländischer Konkurrenz. „Eine immer länger werdende Liste an Zusatzgebühren und Steuern sind ein klarer Wettbewerbsnachteil.“

Im Wahlkampf und zuletzt auch in den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen hatte die CSU auf die Einführung einer Pkw-Maut gedrungen. Deutsche Autofahrer sollen bei der Kfz-Steuer entlastet werden, so dass die Maut letztlich nur ausländische Fahrer belasten würde. Auch innerhalb der Union sind die Pläne umstritten. Die SPD hat klare Ablehnung signalisiert, zuletzt Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier in der „Bild am Sonntag“.

Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Matthias Wissmann, warnte im Magazin „Focus“ vor einer Abschaffung der Kfz-Steuer im Gegenzug zur Einführung einer Pkw-Vignette. „Die CO2-basierte Kfz-Steuer belohnt den Kauf umweltfreundlicher Fahrzeuge und hat somit eine ökologische Lenkungswirkung.“ Ein solches Instrument solle man nicht leichtfertig aus der Hand geben.

Das Bundesverkehrsministerium arbeitet laut „Focus“ und „Bild am Sonntag“ bereits an einer Pkw-Vignette für alle Autobahnbenutzer. Eine Sprecherin bestätigte am Sonntag einen entsprechenden Bericht der „Bild am Sonntag“. Danach ist im Gespräch, dass deutsche und ausländische Pkw-Fahrer eine Vignette erwerben, die für ein ganzes Jahr 100 Euro kosten dürfte. Für einige Tage oder Wochen würde die Autobahngebühr entsprechend geringer ausfallen.

Um deutsche Autofahrer nicht zusätzlich zu belasten, hat die CSU einen Ausgleich über die Kfz-Steuer vorgeschlagen. Für besonders schadstoffarme Autos, deren Steuer unter 100 Euro liegt, sei ein Öko-Rabatt bei der Vignette denkbar: „Wir prüfen mehrere Varianten, das ist eine davon“, sagte die Sprecherin des amtierenden Verkehrsministers Peter Ramsauer (CSU). „Wichtig ist, dass Pkw, die in Deutschland zugelassen sind, nicht weiter belastet werden.“

Unions-Mitglieder der Arbeitsgruppe Verkehr sagten dem „Focus“, im Koalitionsvertrag solle die Pkw-Maut nur als Ziel bis 2016 formuliert werden. Die Umsetzung einer Vignette werde der Bund erst danach in einem Gesetz regeln. Der amtierende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zeigte sich offen für die Einführung einer Pkw-Maut. Er sagte dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“, es sei gut, dass die EU-Kommission bestätigt habe, dass es für den Wunsch der bayerischen Staatsregierung Wege gebe.

SPD-Fraktionschef Steinmeier kritisierte die Stellungnahme von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas zu den rechtlichen Möglichkeiten einer Pkw-Maut. „Ich finde es unverantwortlich, dass ein EU-Kommissar seine Einzelmeinung mitten in die Koalitionsverhandlungen platzen lässt“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Die EU-Kommission hatte allerdings Mutmaßungen zurückgewiesen, für eine Maut bereits grünes Licht gegeben zu haben. Die Behörde in Brüssel werde keiner Maut-Regelung zustimmen, die mit einer willkürlichen Schlechterstellung von Ausländern einhergehe, hieß es.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von durchaus unterschiedlichen Signalen aus Brüssel. In seiner Partei gebe es aber Zweifel, „die über europarechtliche Fragen hinausgehen“, sagte er. Einig seien sich CDU, CSU und SPD, dass sie jede Mehrbelastung deutscher Autofahrer ablehnten.

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, das CSU-Modell für eine Pkw-Maut sei weder gerecht noch ökologisch. Viel- und Wenigfahrer würden „über einen Kamm geschoren“ und ausländische Autofahrer gegenüber inländischen klar benachteiligt. „Die Pkw-Maut kann also kein Weg sein, Mittel für die Infrastruktur zu generieren“, sagte Peter. „Wir sollten stattdessen die Lkw-Maut zu einer Logistik-Abgabe für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen auch auf Bundesstraßen ausweiten. Denn die Lkw verursachen die Schlaglöcher und nicht die ausländischen Autofahrer.“

Die SPD forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem Machtwort im Streit um die Maut für auf. „Die SPD muss wissen, ob es ein Maut-Konzept beider Unionsparteien gibt und ob Merkel umgefallen ist“, sagte der Verhandlungsführer der SPD in der Koalitionsarbeitsgruppe Verkehr, Florian Pronold, am Sonntag in Berlin.

Merkel hatte im Wahlkampf versichert, mit ihr werde es keine Pkw-Maut geben.