Hans-Christian Ströbele genießt es, Freundliches über Edward Snowden zu erzählen – und bleibt Details schuldig

Berlin. Auf welchen Wegen er in Moskau zu Edward Snowden kam, will Hans-Christian Ströbele nicht verraten. Zu seinem großen Auftritt in der Bundespressekonferenz, wo ihn die Weltpresse mit einer Armada von Kamerateams und Fotografen erwartet, kommt er mit Aktentasche und Fahrrad. Da sitzt der Grünen-Politiker nun, der die Welt mit seiner Stippvisite beim NSA-Whistleblower in Moskau überraschte, und ist sichtlich guter Dinge.

In den Händen hält er ein Schreiben, das Snowden angeblich an das Bundeskanzleramt, den Generalbundesanwalt und den Bundestag adressiert hat. Warum die Adressaten darin nicht genannt werden, vermag Ströbele nicht zu sagen. Das Papier sei jedoch authentisch, versichert er. „Wir haben es am Ende der langen und sehr interessanten Diskussion unterzeichnet.“

Ströbele ist der Innen- und Geheimdienstexperte der Grünen-Bundestagsfraktion. Als solcher vertritt er seine Partei im Parlamentarischen Kontrollgremium, jener Institution, die die Arbeit der deutschen Geheimdienste überwachen soll. Auch dort will er seinen Besuch in Moskau schon bald thematisieren. „Ich habe heute eine Sondersitzung beantragt“, sagt er. Ansonsten ist er zwar gesprächig, aber wenig auskunftsfreudig, wenn die Fragen konkret werden. So will er sich weder zu den Lebensumständen des Whistleblowers in Russland äußern, noch zum Inhalt des mehrere Stunden dauernden Gesprächs, das er und die Journalisten Georg Mascolo und John Goetz mit Snowden führten. Wer Brisantes erwartet hat, wird enttäuscht. Genau genommen hat Ströbele nicht viel mehr zu berichten, als dass „Snowden ein junger Mann bei bester Gesundheit“ sei, der seine Fühler gen Westen ausstrecke, weil er sich in Russland offenbar doch nicht so richtig aufgehoben fühlt.

„Er könnte sich vorstellen, nach Deutschland zu kommen und vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss auszusagen, wenn für seine Sicherheit garantiert wird“, sagt Ströbele. Dazu müsse allerdings gesichert sein, dass der 30-Jährige danach in Deutschland bleiben oder in einem vergleichbaren Land unterkommen könne und in Sicherheit sei. Er appelliert an die USA und andere Staaten, Snowden nicht weiter mit Strafe zu drohen. Im Strafrecht gebe es die Möglichkeit, wegen eines „übergesetzlichen Notstands“ von Verfolgung abzusehen. Eine Möglichkeit wäre, Snowden von deutscher Seite freies Geleit zu gewähren. „Wenn das geklärt und geregelt ist, wäre er bereit, herzukommen“, sagt Ströbele.

Dabei bezieht er sich auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Das verweist auf Paragraf 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes. Demnach kann ein Zeuge zur Wahrung „politischer Interessen“ der Bundesrepublik geladen werden. Zuständig für diese Entscheidung ist Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Doch bislang sieht es nicht danach aus, dass die Bundesregierung sich darauf einließe. Allerdings erwägt sie, den ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter in Russland zu befragen. Der Anhörung eines Zeugen in einem anderen Land stehe nichts entgegen, sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums. Allerdings müsse die russische Regierung hierfür ihr Einverständnis geben. Innenminister Friedrich ließ verlauten, Snowden könne durchaus dort befragt werden, „wo er sich derzeit befindet“.

Unter diesen Vorzeichen sei eine Aussage allerdings schwierig, meint Ströbele. „Snowden hat erhebliche Vorbehalte gegen eine Befragung etwa durch die Bundesanwaltschaft auf russischem Boden.“

Beim Gespräch mit Snowden sei ihm klar geworden, dass dieser nicht nur am Computer herumgebastelt habe, sondern als Agent an Operationen beteiligt war. Im Schreiben, das Ströbele dabei hat, beschreibt Snowden sich als „technischer Experte bei der National Security Agency (NSA), der Central Intelligence Agency (CIA) und der Defence Intelligence Agency (DIA)“.

„Snowden ist keineswegs ein Anti-Amerikaner, er ist kein Amerikafeind“, sagt Ströbele. „Am liebsten würde er Russland verlassen und vor einem Komitee des US-Kongresses sein Handeln erklären.“ Doch das sei ja derzeit undenkbar, auch wenn in den USA inzwischen auch verständnisvollere Stimmen laut würden. „Es liegt an uns, wie es Snowden im Sommer nächsten Jahres ergehen wird“, sagt Ströbele. Im Sommer nächsten Jahres läuft das befristete Asyl aus, dass Russland Snowden gewährt.

Derzeit deutet nichts darauf hin, dass er darüber hinaus in Russland bleiben könnte. Niemand weiß das besser als Snowden selbst, dessen „Brief“ vor allem als dringender Wunsch nach einer Aufnahme im Westen außerhalb der USA betrachtet werden kann.

Nach Ansicht Ströbeles sind Snowdens Motive glaubwürdig. Dieser habe sich gut überlegt, ob er mit seinen Informationen an die Öffentlichkeit gehen solle. „Er war sich des Risikos bewusst“, sagt der Grünen-Politiker. „Das hat er mir mehrfach versichert.“ Snowden sei getrieben von der Überzeugung, dass durch die massenhafte Überwachung durch den US-Geheimdienst die Menschenrechte, das Recht auf Privatheit und auf informationelle Selbstbestimmung verletzt werde.

Ursprünglich wollte Ströbele den früheren NSA-Mitarbeiter bereits im Juli in Moskau besuchen. Damals harrte Snowden noch auf dem Moskauer Flughafen aus. „Ich saß den ganzen Juli auf gepackten Koffern und habe deshalb keinen Urlaub gemacht“, sagt der Grünen-Politiker. Dann sei der Kontakt abgerissen. Erst in der vergangenen Woche, nachdem bekannt war, dass die NSA auch das Handy von Kanzlerin Angela Merkel abgehört hat, sei der Kontakt überraschend wieder zustande gekommen. Auf welche Weise, sagt Ströbele nicht. Dann nimmt er seine Aktentasche und verlässt den Saal.