Laut einer Umfrage sehen die Deutschen die Bundeswehr positiv. Allerdings haben sie immer weniger Kontakt mit ihr

Berlin. Man könnte meinen, Thomas de Maizière (CDU) hätte die Studie persönlich in Auftrag gegeben. Nachdem sich der Verteidigungsminister im Januar durch seine öffentliche Soldatenschelte („Sucht nach Anerkennung“) eine Menge Kritik eingefangen hat, belegt nun eine repräsentative Emnid-Umfrage, dass er im Grunde recht hat: Seine Soldaten genießen in Deutschland tatsächlich mehr Ansehen, als sie selbst es wahrnehmen. Zumindest bestätigt die aktuelle Bevölkerungsbefragung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr den Minister in seiner Feststellung, dass Soldaten eigentlich keinen Grund haben, über mangelnde Wertschätzung zu klagen.

Bei Interviews mit 2300 Bundesbürgern zeigte sich in diesem Sommer, dass das Image der Bundeswehr besser ist als gemeinhin gedacht. Eine große Mehrheit der Deutschen hat eine hohe Meinung von den Streitkräften, schätzt sie als selbstverständlichen Bestandteil der Gesellschaft (86 Prozent), empfindet Hochachtung (56 Prozent), Stolz (56) und Dankbarkeit (53), zum Beispiel für die Hilfe beim Hochwasser. Einerseits.

Andererseits fühlt sich offenbar eine ebenso große Gruppe nicht verbunden mit der Bundeswehr und hält die öffentliche Wertschätzung für Soldaten für zu gering. Die Autoren der Studie, die Sozialwissenschaftler Thomas Bulmahn und Maike Wanner, sprechen von einem paradoxen Ergebnis: „Zwischen dem Ansehen auf der persönlichen Ebene und dem wahrgenommenen öffentlichen Image der Bundeswehr klafft eine bemerkenswerte Lücke“, schreiben sie. Die große Diskrepanz zwischen Fremdwahrnehmung und Eigenwahrnehmung liege auch an Informationsdefiziten. Die Wissenschaftler empfehlen der Bundeswehr deswegen, ihre öffentliche Präsenz „zielgerichtet zu stärken“, zum Beispiel durch mehr Vorträge von Jugendoffizieren an Schulen oder sogar einen bundesweiten „Tag der Bundeswehr“.

Denn zum einen haben immer weniger Menschen direkten Kontakt zu ihren Staatsdienern in Uniform; laut der Untersuchung sind innerhalb eines Jahres nur noch 18 Prozent der Befragten auf der Straße oder beim Einkaufen auf die Bundeswehr aufmerksam geworden. Und: Nur etwa jeder Zehnte verbindet mit der Armee persönliche Erfahrungen, etwa den eigenen Grundwehrdienst, oder hat Freunde, die gedient haben.

Da der eigene Eindruck selten wird, bekommen die meisten Menschen das, was sie über Soldaten und die Bundeswehr wissen, nur noch mittelbar mit, über Fernsehen (78 Prozent), Zeitungen und Zeitschriften (67 Prozent), Radio (44 Prozent), Internet (26 Prozent). Und diese Wahrnehmung ist in erster Linie von negativen Schlagzeilen geprägt: Da war die schlampige Doktorarbeit von de Maizières Vorgänger zu Guttenberg, da war das Drama um die Drohne Euro Hawk. Da war der Soldat des Kommandos Spezialkräfte, der in Afghanistan fiel, wenige Tage vor dem Start der Interviews für diese Studie; sieben von zehn der zufällig ausgewählten Befragten hatten zu dem Zeitpunkt davon gehört.

Gerade wegen solch schlechter Nachrichten sinkt seit Jahren die Zustimmung zum Afghanistan-Einsatz. Dennoch bewerten sieben von zehn Bürgern die Leistungen der Bundeswehr positiv. Auch darin sehen die Autoren der Studie einen „bemerkenswerten Kontrast“. Es sei vor allem dieser Einsatz, der das Selbstverständnis der Bundeswehr und ihr Bild in der Öffentlichkeit nachhaltig verändert habe. Wie die Deutschen ihre Armee mittlerweile mit dem Einsatz am Hindukusch verbinden, belegen auch spontane Äußerungen zum Thema Bundeswehr: Worte wie Krieg, Waffen und Afghanistan fallen meistens zuerst. Wenn es allerdings um Details geht, etwa um die Ausbildung oder die Ausrüstung von Soldaten, antworten immer mehr Menschen mit „weiß nicht“. Auch das ist ein Indiz für Informationsdefizite und das von vielen beklagte Defizit an grundsätzlichen Fragen der Sicherheitspolitik. Neben all den positiv Gestimmten gibt es einen harten Kern von 15 bis 20 Prozent der Bundesbürger, die pauschal alles ablehnen, was mit Militär zu tun hat. Auf die Frage, welche negativen Emotionen sie mit der Bundeswehr verbinden, äußerte etwa jeder fünfte Zweifel (26 Prozent), Angst (22) oder Unverständnis (20). Jeder Zehnte empfand Abneigung oder Verachtung.

Es gibt also eine schweigende Mehrheit, die hinter der Bundeswehr steht – aber keinen Grund sieht, ihre Meinung öffentlich kundzutun. Und daneben eine wesentlich kleinere Protestgruppe, die auch Gewalt anwendet oder beispielsweise Jugendoffiziere aus Schulen verbannt und damit größere mediale Aufmerksamkeit erzielt. Praktisch ausgedrückt: Drei Leute, die einen Brandanschlag verüben, erregen mehr Aufsehen als 300 Menschen, die eine gelbe Schleife tragen, um Solidarität mit Soldaten auszudrücken.

„Hören wir also auf, nach Anerkennung zu gieren“, sagte de Maizière damals, beim Neujahrsempfang der Militärseelsorge an der Bundeswehr-Universität in München. „Erzählen wir von unserer Arbeit, seien wir stolz auf das, was wir leisten.“ Gute dreieinhalb Monate nach seiner umstrittenen Rede fingen die Emnid-Befrager an zu telefonieren, und erstmals fragten sie auch nach gesellschaftlicher Wertschätzung.