Bischof Tebartz-van Elst hat auch Anhänger, die dem Vatikan nahestehen. Im Limburger Domkapitel will ihn aber niemand zurück

Limburg. Einen Vorwurf darf man den Menschen, die so gerne Richter spielen, unter keinen Umständen machen: dass sie nicht alles versuchen würden, den Mann loszuwerden. Sie trommeln selbst jetzt noch für seinen Rücktritt, da der Vatikan bereits eine Zwangspause für den Bischof verkündet hat. Das Domkapitel, das höchste Gremium im Bistum Limburg, lud zur Pressekonferenz, um zu sagen, dass man nichts zu sagen habe. Es war zu erfahren, dass das Domkapitel nicht im Vorfeld über die Entscheidung von Papst Franziskus informiert worden war und dass es die Hintergründe nicht kenne. Die honorigen Herren konnten aber die Gelegenheit nutzen, den Druck auf Tebartz-van Elst aufrechtzuerhalten.

Domdekan Günther Geis sagte das, was er schon einer Bistumszeitung verraten hatte: dass das Vertrauen in den Bischof zerstört sei, dass man keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit sehe. Helmut Wanka, Personaldezernent, erzählte, was man im Bistum mit Pfarrern anstelle, die in ähnlichen Lagen wie Tebartz-van Elst stecken: Man versetze sie in eine andere Pfarrei. Das, sagte Wanka, könne auch im vorliegenden Fall eine „Perspektive“ sein. Die Inszenierung wirkte wie ein verzweifelter Versuch, klare Signale nach Rom zu senden. Doch das, was sich ein paar Amtsträger im Bistum Limburg wünschen, interessiert den Heiligen Vater herzlich wenig. Die katholische Kirche ist kein Wunschkonzert. Franz-Peter Tebartz-van Elst hat große Fehler gemacht, daran gibt es keinen Zweifel. Er soll eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben haben. Er hat seinem Bistum lange Zeit nicht die Wahrheit über die wahren Kosten für den Bau des Diözesanen Zentrums gesagt. Trotzdem tragen die Versuche, Tebartz-van Elst mit aller Gewalt aus dem Amt zu jagen, mitunter obskure Züge. Viele Geistliche sind der Meinung, dass die harsche Kritik im Zusammenhang mit dem Bau nur Mittel zum Zweck ist, um den Mann abzusägen. Robin Baier ist Kaplan im pastoralen Raum Nentershausen im Westerwald. Bis August war der 32-Jährige zwei Jahre in der Limburger Dompfarrei tätig. Er sagt: „Es gibt auch sehr viele positive Dinge über Bischof Tebartz-van Elst zu sagen. Aber das tun die Leute, die ihm schaden wollen, natürlich nicht.“

Und weiter: „Die Leute, die ihm bei den Bistumswallfahrten oder den Visitationen begegnen, erleben ihn überaus positiv. Er hat für jeden ein offenes Ohr und nimmt sich immer Zeit für ein Gespräch.“ Und er versuche, mit dem Bistum einen Weg der „geistlichen Erneuerung“ zu gehen, damit „die ganze Schönheit des katholischen Glaubens eröffnet wird“. Er sei dem Bischof dankbar für klare Entscheidungen. In diesem Amt müsse man die Diözese leiten: „Dazu gehört, sich alle Meinungen anzuhören und am Ende das zu tun, was man als richtig erkannt hat – auch wenn diese Entscheidungen unpopulär sind.“ Baier wünscht sich eine Rückkehr des Bischofs: „Die Aussage, ganz Limburg sei für seinen Rücktritt, spiegelt die Realität in keiner Weise wider.“

Bevor Tebartz-van Elst 2008 seinen Dienst antrat, ging es zwischen der Kirche und den Gläubigen im Bistum sehr harmonisch zu. 25 Jahre lang war Franz Kamphaus Bischof von Limburg. Dank ihm und seinem Vorgänger Wilhelm Kempf war die Bedeutung der synodalen Gremien im Bistum enorm gewachsen. Kamphaus pflegte eine Kultur des gemeinsamen Entscheidens. Als er den Vorschlag, Laien die Leitung mehrerer Gemeinden zu übertragen, umsetzte, stieg sein Beliebtheitsgrad. Dass solche Maßnahmen kirchenrechtlich umstritten sind, interessierte nur am Rande.

Hinter den Kulissen gab es aber auch Kleriker, die die Vorgänge im Bistum Limburg argwöhnisch beobachteten. Ein Insider: „Nicht umsonst gehörte Tebartz-van Elst zu den drei Namen, die der Papst dem Domkapitel als Kandidaten für die Kamphaus-Nachfolge nannte. Der Vatikan wollte, dass da künftig jemand mit einem katholischen Verständnis arbeitet und seine Positionen vertritt. Dass endlich wieder jemand führt.“ Und so spürten Kleriker wie Laien im Limburger Bistum nach dem Amtsantritt von Tebartz-van Elst ziemlich schnell, dass auf dem Domberg nun ein anderer Wind weht. Den Vorstoß, dass Laien eine Gemeinde leiten, machte der Bischof umgehend rückgängig. In einem Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ erklärte er, es gehöre nun einmal zu seinem Amt, dass er, „um ein altes biblisches Bild aufzugreifen, als Hirte der Herde vorangeht“. Schon in der Frühphase seines Wirkens hatte Tebartz-van Elst einen Dekan abberufen, weil dieser ein homosexuelles Paar nach dessen standesamtlicher Trauung gesegnet hatte. Solche Geschichten würden ja mal überhaupt nicht zum neuen Papst passen, sagte jüngst eine Gläubige bei einer Protestkundgebung gegen Tebartz-van Elst auf dem Limburger Domplatz. Dabei wurde jüngst ein australischer Priester in der Kirche exkommuniziert, der sich für die Öffnung des Sakraments der Ehe für Homosexuelle und für Frauen als Priesterinnen eingesetzt hatte. Die Order zum Rauswurf soll direkt aus dem Vatikan gekommen sein.

Und so geht es bei der Affäre um das Limburger Bauprojekt nicht nur um die Fragen, wie autoritär ein Bischof sein soll und wie viel Geld er für den Bau seiner Residenz ausgeben darf. Auch gilt es, grundsätzlich zu klären, wie kirchentreu ein Bischof anno 2013 sein kann, um vom Volk akzeptiert zu werden. Es ist auch ein Selbstfindungsprozess, den ein 31 Millionen Euro teurer Bau ausgelöst hat. Die Entscheidung des Papstes, (noch) nicht den Stab über Tebartz-van Elst zu brechen, ist für einige Amtsträger im Bistum ein Fiasko. Dass die Mitglieder des Domkapitels am nachdringlichsten den Rücktritt von Tebartz-van Elst fordern, dürfte kein Zufall sein. Wollen die Herren von der eigenen Schuld an der Affäre ablenken?

Domdekan Geis sagte, das Domkapitel habe den Bischof nicht zwingen können, es in Entscheidungsprozesse einzubeziehen; kirchenrechtlich sei das nicht möglich. Klar ist aber: Öffentlich protestiert hat auch niemand. Und nicht der Bischof war es, der den Bau genehmigte, sondern das Domkapitel. Während der Sedisvakanz – dem Zeitraum zwischen dem Rücktritt Kamphaus’ und dem Antritt Tebartz-van Elsts – fällte das Gremium diese Entscheidung. Es war ein Verstoß gegen das Kirchenrecht, nur ein Bischof kann solche Beschlüsse fassen. Tebartz-van Elst begehrte nicht auf, aber er nahm dem Domkapitel die Kontrollfunktion über das Vermögen und die Finanzgeschäfte.

Ein Vermögensverwaltungsrat wurde gegründet. Dessen drei Mitglieder bestimmte Generalvikar Franz Kaspar. Das Trio war es, das den Bischof öffentlich vorführte, ehe sich herausstellte, dass es dabei gelogen hatte. Kaspar saß bis zuletzt zwischen allen Stühlen: Er war bis Mittwoch Generalvikar und damit der engste Vertraute Tebartz-van Elsts, hatte aber gleichzeitig einen Sitz im Domkapitel, das den Abgang des Bischofs will. Der Kirchenrechtsexperte Thomas Schüller hält Kaspar für die „Schlüsselfigur“ bei dem Bauprojekt. Kaspar war es auch, der durchsetzte, dass mehrere Zeitungen, die kritisch über die Kosten für den Bau berichteten, vom Bischöflichen Ordinariat gekündigt wurden. Mit der vorzeitigen Berufung von Wolfgang Rösch wurde die Ära Kaspar abrupt beendet.

Tebartz-van Elst wartet weiter auf den Bericht der Prüfungskommission der Deutschen Bischofskonferenz. Wie der Bischof die Sachlage einschätzt – ob er von seiner Unschuld überzeugt ist oder Fehler erkennt – ist unklar. Selbst für den Fall, dass er Reue zeigt, dürfte es einigen Limburgern schwerfallen, dem Mann die Hand zu reichen.