Zweite Sondierungsrunde zwischen Grünen und Union. Differenzen vor allem bei den Themen Maut und Mindestlohn

Berlin. Jürgen Trittin macht es spannend. Pünktlich um 15 Uhr am Dienstag marschiert er mit den anderen grünen Sondierern in die Parlamentarische Gesellschaft zur Vorbesprechung. Gibt es bei den Gesprächen mit der Union vielleicht eine Überraschung, Herr Trittin? „Wahrscheinlich“, sagt er. Kunstpause. Dann schiebt er hinterher: „Wahrscheinlich gewinnen wir gegen Schweden“ – mit Blick auf das Fußball-Länderspiel der Löw-Elf am Abend in Solna bei Stockholm.

Als sich wenig später die Unterhändler der Union dem Ort des Geschehens nähern, will auch noch niemand eine klare Ansage machen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) belässt es bei einem Lächeln. Ihr Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wird gefragt, ob er an einen Durchbruch glaubt. „Schauen wir mal.“

In den rund sechstündigen Gesprächen, die bis in den späten Abend dauerten, zeichnete sich zunächst zumindest bei gesellschaftspolitischen Themen eine Annäherung ab. Hier sind den Grünen Themen wie eine Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben, eine doppelte Staatsbürgerschaft und Verbesserungen für Asylbewerber wichtig.

Große Differenzen hätten sich aber bei den Themen Agrar und Verkehr gezeigt, hieß es. Bei der Frage der Pkw-Maut gehe nichts zueinander. Eine Ausweitung der Lkw-Maut könne man hingegen zusammen hinbekommen. Die Meinungsverschiedenheiten beider Parteien in den Bereichen Arbeit und Soziales konnten hingegen nicht ausgeräumt werden. Es habe zum Beispiel keine Einigkeit beim Mindestlohn, dem Regelsatz bei Hartz IV und der von den Grünen geforderten Bürgerversicherung gegeben, verlautete aus Kreisen der Grünen-Delegation.

Unmittelbar vor dem Treffen hatte die Grünen-Delegation noch einmal ihren engen Zeitplan bekräftigt. „Wir wollen Klarheit nach diesem Gespräch“, hieß es aus grünen Verhandlungskreisen am Dienstagnachmittag in Berlin. Darüber habe bei einer Vorbesprechung Einigkeit geherrscht. Durchgängig habe es die Auffassung gegeben, dass die Grünen nicht mit einer offenen Situation in ihren am Freitag beginnenden Parteitag gehen könnten.

Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke hatte bereits am Freitag mitgeteilt, dass die Grünen die Gespräche am Dienstag bewerten und eine Entscheidung treffen wollen. Die Delegierten hätten ein Recht darauf, noch rechtzeitig einen Antrag zur Beratung vorgelegt zu bekommen. In einer Fraktionssitzung gab es dagegen auch Stimmen, sich weitere Gespräche offenzuhalten, wie Teilnehmer berichteten. Die Union wiederum war aus einer recht komfortablen Ausgangsposition in die Sondierungsgespräche mit den Grünen gegangen. Die SPD-Spitze nämlich will grundsätzlich mitregieren, trotz ihres harten Wahlkampfes gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel und vieler kritischer Stimmen aus den Ländern und von der Basis. Sie will es nicht ausnutzen, dass sie theoretisch auch einen SPD-Kanzler einer rot-rot-grünen Koalition stellen könnte.

So können CDU und CSU wählen – und nach der Erfahrung von zähen acht Stunden bei der zweiten Sondierung mit der SPD bis in die Nacht zum Dienstag ist ein Teil der Union neugieriger auf Kompromissmöglichkeiten mit den Grünen geworden. Denn vor allem zwischen CSU und SPD hatte es bei den schwarz-roten Gesprächen heftig gekracht.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in den achtstündigen Gesprächen laut Teilnehmern vorgeworfen, Familienpolitik nur als ökonomische Größe zu begreifen. Daraufhin habe sich Kraft bei Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel lautstark über den CSU-Mann beschwert. Verärgert reagierte die SPD auch darauf, dass aus den Verhandlungen trotz gegenteiliger Absprachen Details an die Öffentlichkeit durchgestochen worden seien. Konkrete Ergebnisse gab es bei dem schwarz-roten Treffen nicht.

Es wird aber trotz allem damit gerechnet, dass Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer am Donnerstagabend ihren Präsidien Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten vorschlagen. Es gebe trotz allem ein gutes Vertrauensverhältnis. Die CDU wird dann eine Sondersitzung des Bundesvorstands am Freitag oder Sonnabend einberufen. Am Sonntag dann wird sich der SPD-Parteikonvent mit der Frage befassen. Die Führung der Sozialdemokraten müsste aber ihren Mitgliedern vermitteln, warum eine Große Koalition jetzt der beste Weg sei. Und bis dahin dürfte es bei den beiden größten Streitthemen keine Klarheit geben: Steuererhöhungen und Mindestlohn.

Die Union schließt höhere Steuern, wie die SPD sie fordert, nach wie vor aus. Die SPD besteht auf der gesetzlichen Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro in der Stunde – die Union will weder die Höhe akzeptieren noch den Staat an der Entscheidung beteiligen. Der Streit um die von Seehofer geforderte Pkw-Maut für Ausländer könnte dagegen entschärft werden. Hier lägen sowohl Union als auch SPD nahe an den Vorschlägen einer Bund-Länder-Kommission unter Leitung von Ex-Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD), machten beide Seiten deutlich. Denkbar ist nun, dass die Parteiführungen erklären, es gebe zwar noch keine Kompromisse – es lohne aber, darüber Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.