CDU und SPD trafen sich zur zweiten Sondierungsrunde. Bewegung gab es im Vorfeld beim Mindestlohn. Am Betreuungsgeld wollte die CSU festhalten

Berlin. Am Montagmorgen trafen sich die Präsidiumsmitglieder der CDU noch einmal mit ihrer Vorsitzenden zu einer Schaltkonferenz. Dabei gab Angela Merkel eine Warnung für die folgenden Abende aus: Man solle sich bitte nichts vornehmen. Die Sondierung mit der SPD am Montag, aber auch die mit den Grünen am Dienstag könne lange dauern, ließ die Kanzlerin wissen. In der Vorwoche war es Merkel selbst, die durch ihren Termin bei den Unionsministerpräsidenten das Gespräch mit den Grünen auf drei Stunden beschränkt hatte. Das hatte ihr den Vorwurf eingebracht, es mit den Grünen nicht so ernst zu meinen. Diesmal also will man auch am Dienstag „open end“ sondieren. Eine Entscheidung unmittelbar danach will die Union nicht fällen. Sogar eine dritte Sondierung sei nicht ausgeschlossen.

Für diese jedoch würde die Zeit knapp. Am Mittwoch oder Donnerstag will die CSU bereits über Koalitionsverhandlungen entscheiden. Das teilte CSU-Chef Horst Seehofer in München mit. Eine CSU, die Nein sagt zu einem der beiden Partner – das wäre eine Vorentscheidung. Bei der SPD würde über die Aufnahme von Verhandlungen ein Konvent am Sonntag und bei den Grünen ein Parteitag am Wochenende abstimmen.

Brücken baute die Union vor allem zur SPD. In ihrer Videobotschaft widmete sich die Kanzlerin am Wochenende den SPD-Kernanliegen Arbeit und Soziales. Dabei sagte Merkel: „Es geht um vernünftige Lohnuntergrenzen in Form von Mindestlöhnen.“ Auch müsse der Missbrauch bei der Leiharbeit und bei Werkverträgen beendet werden. In den Ohren der SPD klingt das wie Musik. Und nicht nur in deren.

Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, sah vor den Gesprächen in der Parlamentarischen Gesellschaft beim Reichstagsgebäude große Einigungschancen zwischen Union und SPD. „Es wird am Ende einen einheitlichen Mindestlohn geben mit wenigen Ausnahmen“, sagte Laumann. Die Ausnahmen beträfen nicht Unterschiede etwa nach Regionen oder Branchen, sondern eher einzelne Gruppen. „Es geht eher darum, etwa Schüler aus dem Mindestlohn herauszunehmen, damit Schülerferienjobs weiter möglich bleiben.“ Laumann ist zuversichtlich, dass sich die beiden Parteien einigen. „Die Chancen, dass es einen robusten Mindestlohn gibt, waren noch nie so gut wie jetzt.“

Die Sozialdemokraten wollen einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Die Erfüllung dieses Kernanliegens könnte es am Ende der SPD erlauben, eine bittere Pille zu schlucken: das Betreuungsgeld. Das möchte die SPD abschaffen. Am Wochenende war davon die Rede, dass die Familienleistung in die Verfügungsgewalt der Länder übergehen könnte, die dann über die Auszahlung entscheiden sollten. Doch in diesem Punkt zeigte sich die CSU vor der Sondierung hart und zu keinem Kompromiss bereit. „Wir werden das Betreuungsgeld den zahlreichen Eltern und Kindern, die in ganz Deutschland davon profitieren, ganz sicher nicht wieder wegnehmen“, sagte die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt. Koalitionsverhandlungen seien nicht dazu da, bestehende Gesetze rückgängig zu machen. „Das Betreuungsgeld ist beschlossen, eingeführt und wird sehr gut angenommen“, betonte Hasselfeldt.

Von den diversen Steuererhöhungen, die die SPD im Wahlkampf (zuletzt teilweise nur noch lustlos) gefordert hatte, ist dagegen verdächtig wenig zu vernehmen. Um jedoch die Skepsis gegen eine schwarz-rote Koalition zu brechen, wird sie mehr Geld für Länder und Kommunen (Bildung und Infrastruktur) durchsetzen müssen. Derlei Finanzspritzen würden der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) eine Zustimmung zur Großen Koalition in Berlin erleichtern.

Beide Parteien wollen Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes

Höhere Bildungsausgaben schweben auch der Kanzlerin vor. Das ist nicht das Problem. Schwieriger ist die Frage, wie man das Geld verteilt, weil das Grundgesetz direkte Investitionen des Bundes etwa in Schulen verbietet. Auf eine Abschaffung des entsprechenden Passus könnten sich die Parteien wohl verständigen. Die Länder sind jedoch teils skeptisch. Über eine Absichtserklärung für eine Föderalismusreform wird es wohl kaum hinausgehen. Immerhin: wenn eine Koalition ein solches dickes Brett bohren kann, dann wohl eine rot-schwarze. Das ist den Beteiligten bewusst.

Bewusstsein dafür, in der Pflicht zu sein, gibt es auch bei der Energiepolitik. Eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) halten beide Parteien für notwendig. Anders als für die Grünen ist dieses Thema für die Sozialdemokraten weniger ideologisch befrachtet. Allerdings gibt es heikle regionale Interessen. Hannelore Kraft will eine Schwächung der Braunkohleindustrie in NRW nicht hinnehmen. Die wäre jedoch eine Konsequenz aus einer Reform des EEG. Gaskraft soll gegenüber Kohlkraft aufgewertet werden. Ein Kompromiss ist bisher nicht erkennbar.

Bei den Themen Pkw-Maut und Gesundheit geht der Streit quer durch die Parteien. Die CSU will die Maut für Ausländer, die CDU und SPD wollen sie nicht. Die SPD will wie die CSU den Einheitsbeitrag der Krankenkassen kippen. Die CDU will das nicht. Doch gerade weil diese Punkte selbst innerhalb der Union noch diskutiert werden, stellen sie eine Koalition nicht grundsätzlich infrage.

Befürchtungen gab es vor der Sondierung deshalb bei der Union auch, ob die SPD nicht vielleicht unerhörte Personalforderungen stellt. Sieben, acht Ministerin, das könnte Merkel kaum hinnehmen.