Skepsis vor zweiter Sondierung. Konflikt zwischen Trittin und Kretschmann

Berlin. Die Grünen wollen das zweite Sondierungsgespräch mit der Union ernst führen, zeigen sich aber wenig optimistisch. „Es ist hier kein Kinderspiel, was wir machen, es geht um die Frage, dass die Bundesrepublik Deutschland eine verlässliche Regierung braucht“, sagte Parteichef Cem Özdemir am Montag in Berlin. „Vielleicht überrascht uns die Bundeskanzlerin, vielleicht überrascht uns Herr Seehofer mit irgendetwas.“

Sondierungen seien ein inhaltliches Abtasten, aber keine Koalitionsverhandlungen, sagte die scheidende Grünen-Parteichefin Claudia Roth. Wichtige Bereiche wie große Gerechtigkeitsthemen oder die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes seien in der ersten Runde noch nicht einmal angesprochen worden. Roth sagte, die inhaltliche Neuausrichtung und personelle Neuaufstellung ihrer Partei bedeute nicht, dass die Grünen ihre Inhalte entsorgten. Man mache sich nicht „kompatibel für irgendwelche Partner von der CDU oder CSU“.

Klar ist: An diesem Dienstag entscheidet sich, ob man der Bundesdelegiertenversammlung am Wochenende eine Empfehlung für Verhandlungen über ein schwarz-grünes Bündnis geben kann oder nicht. Eine Einigung beim Mindestlohn ist den Grünen besonders wichtig: „Ohne einen flächendeckenden Mindestlohn wird keine neue Regierungskoalition zustande kommen“, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Brigitte Pothmer. „Auch die Union weiß, dass das bisherige Flickwerk unwirksam gegen Lohndumping ist und dass sie sich nicht länger hinter der FDP verschanzen kann.“ Die Generalsekretäre von CDU und CSU, Hermann Gröhe und Alexander Dobrindt, haben nach Informationen der „Bild“-Zeitung für die Sondierungsgespräche außerdem die Themen Europa, Finanzen, demografischer Wandel, Föderalismusreform, Wirtschaft, innere Sicherheit und Außenpolitik festgelegt. Es wird mit einer längeren Nachtsitzung gerechnet.

Unterdessen geht bei den Grünen der interne Streit um Lehren aus dem schlechten Wahlergebnis weiter. Es sei falsch, wenn sich die Grünen nun gegenseitig Ratschläge erteilten, empörte sich der Spitzenkandidat und frühere Fraktionschef Jürgen Trittin als Reaktion auf ein „Spiegel“-Interview des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Dieser hatte seiner Partei geraten, sich stärker auf das Stuttgarter Vorbild auszurichten, wo die Grünen moderat und wirtschaftsfreundlich auftreten.