Hafen und Wintersport: Was Österreicher und Hamburger verbindet

Hamburg. Für Österreicher, die ganz frisch nach Hamburg kommen, stellen sich unmittelbar mehrere grundlegende Fragen. Erstens: Wo ist eigentlich das Meer? Hamburg hat doch diesen Hafen mit diesen riesig großen Schiffen. Zweitens: Wann scheint hier eigentlich mal die Sonne? Schließlich regnet es in Hamburg doch permanent, weiß doch jedes Kind. Und drittens: Wo ist der spitze Stein, gegen den die Hamburger immer treten?

Ist man erst mal ein Weilchen da, sind diese ersten grundlegenden Fragen bald beantwortet. Doch es stellen sich sofort weitere, irgendwie noch grundlegendere Fragen. Etwa diese: Wieso bricht in Hamburg augenblicklich der Verkehr zusammen, wenn der Schnee mauskniehoch auf der Straße liegt? Wieso wird er nicht einfach von der Straße geräumt, wie überall sonst auf der Welt auch? Und warum fragen die Hamburger nicht mal jemanden, der sich damit auskennt? Jemanden aus Österreich zum Beispiel ...?

Warum ich das überhaupt thematisiere? Tja nun, ich bin Österreicher. Tiroler, um korrekt zu sein. Als ich Anfang 2000 beim Hamburger Abendblatt meine Stelle als Politik-Redakteur angetreten hatte, war ich somit der „Redaktions-Ösi“. Mit allen Vor- und Nachteilen: Die deutschen Kollegen taten Neid kund, als ich mich regelmäßig zwei Mal im Jahr – Winters und Sommers – nach Tirol zum Heimatbesuch verabschiedete, baten hie und da um Tiroler Speck und den tollen Schnaps von der Alm XY. Und sie taten Beileid kund, wenn die österreichische Fußball-Nationalmannschaft mal wieder den Versuch unternahm, sich für ein großes Turnier zu qualifizieren. Schwer wurde es vor allem dann, wenn mal wieder Deutschland der Gegner war.

Überhaupt: Hamburg und die Österreicher. Sie verbindet sehr viel mehr als man allgemein so weiß. Das erste Konsulat in der Hansestadt wurde 1570 von Österreich eröffnet. Und Hamburg ist quasi der Hafen Österreichs – mehr als 50 Prozent des Exports läuft über Hamburg. Die Hafengesellschaft hat deshalb seit 1951 eine Niederlassung in Wien. Es war die erste im Ausland.

Und von wegen Spott über Österreichs Fußball ... Ich sage nur Ernst Happel! Der legendäre Trainer des HSV war ein sogenannter waschechter Wiener, ein begnadeter Grantler, ein Liebhaber der Wiener Kaffeehaus-Kultur (also jemand, der gern den halben Tag in der Zeitung schmökert, sich alle Viertelstunde einen Mokka oder einen Verlängerten bringen lässt und dabei eine Zigarette raucht) und ein Mann mit dem Hang zum Morbiden. Der ist den Wienern ja eigen. Beispiel gefällig? Fragt ein Wiener den anderen: „Host schu gheart, wer gschtorben is?“ Sagt der andere: „Mir is a jeder recht.“

Aber Gott sei’s gelobt, es gibt ja noch den Winter. Und da macht uns so schnell keiner was vor. Der Österreicher traut sich in der Zeit von Ende Oktober (Start der Weltcup-Saison der Skifahrer) bis Ende März (Saisonfinale der Skifahrer) auch ohne Skepsis an den Sportteil der Zeitung. Allerhand Erfolgsnachrichten gibt es da zu lesen. Und das Schöne mit den Hamburgern ist: Man kann sich mit ihnen über den Nationalsport der Menschen drüben in den Alpen unterhalten. Sie sind fachkundig. Der größte Skiverband Deutschlands außerhalb Bayerns befindet sich in Hamburg. Das verbindet.

Und deshalb kann ich mir beim besten Willen keine Stadt in Deutschland vorstellen, in der sich ein Österreicher wohler fühlen sollte, als in der Freien und Hansestadt an der Elbe.

Günther Hörbst, 42, war von 2000 bis 2006 Politikredakteur und ist heute Chefredakteur der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“