Vor der nächsten Sondierungsrunde streiten Sozialdemokraten und Union

Berlin. Kurz vor dem zweiten Sondierungsgespräch zwischen Union und SPD streiten die potenziellen Koalitionspartner über die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung. Die SPD fordert, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihren Beitragssatz wieder allein festlegen sollen. Die CDU verteidigte dagegen den einheitlichen Beitragssatz, den die letzte Große Koalition vor fünf Jahren beschlossen hatte. CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sagte am Donnerstag in Berlin, die Kassen könnten je nach Finanzlage Zusatzbeiträge erhöhen oder eine Prämie an die Versicherten auszahlen. Insofern hätten sie bereits eine Beitragsautonomie. „Daher braucht es da keine Änderungen“, sagte Spahn.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte dagegen der „Bild“-Zeitung: „Wir brauchen unterschiedliche Beiträge, damit sich die Bürger gezielt für die beste Kasse entscheiden können.“ Es sei nicht sinnvoll, wenn mehr als 100 Kassen den gleichen Beitragssatz hätten. Auch Fraktionsvizechefin Elke Ferner forderte ein Zurück zur Beitragsautonomie. Die SPD rüttelt damit an einem Grundpfeiler des Gesundheitsfonds, den sie gemeinsam mit der CDU/CSU vor vier Jahren eingeführt hatte. Ähnlich hatten sich zuvor große Krankenkassen wie die Barmer GEK geäußert.

Mit Einführung des Gesundheitsfonds im Jahr 2009 wurde ein bundesweit einheitlicher Beitragssatz festgelegt. Die Beiträge fließen zusammen mit Steuermitteln in den Fonds und werden von dort nach einem Schlüssel an die einzelnen Kassen verteilt. Diese wiederum müssen mit dem Geld auskommen oder Zusatzbeiträge einfordern. Die schwarz-gelbe Koalition fror den allgemeinen Beitragssatz im Jahr 2010 ein.

Der Gesundheitsfonds wies zum Halbjahr ungewöhnlich hohe Rücklagen von mehr als elf Milliarden Euro aus. Bei den Kassen selbst schlummerten Reserven von 16,6 Milliarden Euro. Bei den Politikern weckt dies Begehrlichkeiten. So hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Bundeszuschuss bereits um 3,5 Milliarden Euro auf 10,5 Milliarden Euro gekürzt. Die Kassen fürchten, dass eine künftige Regierung mit Blick auf die hohen Reserven noch einmal Geld aus dem Fonds abzapfen könnte – zumal CDU und SPD im Vorfeld der Sondierungsgespräche von Steuererhöhungen abgerückt sind.

Die finanziellen Risiken der Kassen im nächsten Jahr dürften bei den Beratungen des sogenannten Schätzerkreises deshalb nicht künstlich kleingerechnet werden, hatte der Vizechef des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Johann-Magnus von Stackelberg, gewarnt. Der Schätzerkreis aus Bundesversicherungsamt, Gesundheitsministerium und Kassen prognostiziert die Einnahmen und Ausgaben im Gesundheitswesen, nach denen sich auch die Zuweisungen an die Kassen richten. Die Kassen verweisen auf steigende Ausgaben in den nächsten Jahren. Schon 2014 sehen sie höhere Ausgaben auf sich zukommen, da der milliardenschwere Zwangsrabatt bei Arzneien entfällt.