Erster Grüner Ministerpräsident gibt Bundesratspräsidentschaft an den Niedersachsen Stephan Weil ab – und wird Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz

Berlin. Zufrieden ist er nicht: „Das Einzige, was ich erreicht habe, ist, dass jetzt die Namen der Länder auf den Bänken stehen“, gestand Winfried Kretschmann im Juli ein, als er eine Bilanz seiner einjährigen Amtszeit als Präsident des Bundesrates zog. Wobei der baden-württembergische Ministerpräsident den Nutzen der neu eingeführten Länder-Schilder nicht unterschätzen sollte. Wir können nicht schwören, dass wir Dietmar Woidke jüngst im Bundesrat erkannt hätten, wenn an seinem Platz nicht „Brandenburg“ gestanden hätte.

Außerdem hat Kretschmann, der erste und für lange Zeit wohl einzige Grüne in diesem Amt, die Internetübertragung der Bundesratssitzungen per Livestream eingeführt. Nicht durchsetzen aber konnte sich Kretschmann, der am heutigen Freitag die Präsidentschaft turnusmäßig an Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) übergibt, mit dem Wunsch, ein elektronisches Stimmenzählsystem einzuführen. Gewiss, das hätte manches erleichtert, weil ja einige Länder sechs Stimmen haben, Bayern etwa, andere hingegen, das kleine Saarland zum Beispiel, nur drei. Da wird es schon mal schwierig zu errechnen, ob ein Gesetz angenommen ist.

Andererseits: Es war unterhaltsam, wie Kretschmanns Präsidentschaftsvorgänger, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), halblaut bei eingeschaltetem Mikrofon die Stimmen addierte und dabei zuweilen ins Trudeln geriet, in dem aber sofort Bundesratsdirektor Gerd Schmitt half. Kretschmann hingegen beherrscht stilles Kopfrechnen.

Dass er es ansonsten geschafft hätte, dem von ihm verehrten Föderalismus neue Wertschätzung zu verschaffen, muss bezweifelt werden. Verdienstvoll zwar war sein Einsatz für den Kompromiss zur Endlagersuche. Und väterlich knarzend repräsentieren kann er auch. Doch was die von Kretschmann beklagte Intransparenz vieler Bundesratsentscheidungen betrifft, so ist es damit wie eh und je. Ein Schatten fällt aufs Ende von Kretschmanns Präsidentschaft auch insofern, als ein milliardenschweres, für Bund und Länder attraktives Steuergesetz im Vermittlungsausschuss hängen geblieben ist. Es geht ums Schließen von Steuerschlupflöchern bei ins Ausland verlagerten Pensionskassen. Im Sommer hatten alle Länder und die Bundesregierung hierzu einen informellen Konsens erzielt. Doch es kam nicht mehr zu einer gültigen Einigung des Vermittlungsausschusses. Nun, nach der Wahl, muss das Gesetz neu eingebracht werden. Auf dem Spiel stehen bis zu 13 Milliarden Euro Steuereinnahmen für Bund und Länder im Verlauf von 15 Jahren.

Am heutigen Freitag jedenfalls wird sich der Bundesrat, weil es sich noch gar nicht lohnt, mit diesem Thema nicht beschäftigen. Da mangels neuer Bundesregierung auch sonst nicht viel ansteht – abgesehen von der Gebäudesanierung –, steht alles im Zeichen der Präsidentschaftsübergabe von Kretschmann an Weil. Wobei Kretschmann schon das nächste wichtige föderale Amt angetreten hat. Zufällig nämlich überlappen sich die turnusmäßigen Wechsel in der Bundesratspräsidentschaft und im Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz so, dass Kretschmann nun ein Jahr lang die Koordinierungsrunden der Länderchefs leitet. Da steht er vor der Herkulesaufgabe, Verhandlungen über neue Finanzverhältnisse von Bund und Ländern anzuschieben, wegen der Schuldenbremse, des kommunalen Finanzmangels, des auslaufenden Solidarpakts und des Streits über den Länderfinanzausgleich. Kretschmann wünscht sich eine Föderalismus-Kommission III, die freilich eines nicht werden dürfte: transparent.

Mit Kretschmanns Nachfolger im Bundesratsvorsitz, Stephan Weil, wird die Länderkammer wohl noch im November ein erstes Mal für Aufsehen sorgen: beim NPD-Verbot. Im Herbst wollen die Länder den Verbotsantrag in Karlsruhe einreichen. Das erklärte Niedersachsens Innenministerium, das den Vorsitz der Innenministerkonferenz innehat.