Göring-Eckardt deutet Zugeständnisse in der Steuerpolitik an. Die CSU bleibt skeptisch und erinnert SPD an staatspolitische Verantwortung

Berlin. Angesichts verhärteter Fronten zwischen Union und SPD senden die Grünen Annäherungssignale an CDU und CSU. „Wir sagen nicht von vornherein, das wird prinzipiell nichts mit der Union“, sagte Katrin Göring-Eckardt, Grünen-Unterhändlerin für die schwarz-grünen Sondierungsgespräche Ende nächster Woche. „Wir gehen ernsthaft in Gespräche.“

Als Hauptbedingung der Grünen für eine Regierungszusammenarbeit mit der Union nannte Göring-Eckardt einen ehrgeizigen Klimaschutz. „Die ökologische Modernisierung ist unser Kernpunkt“, sagte die 47 Jahre alte Kandidatin für den Fraktionsvorsitz. Zugleich signalisierte sie Bereitschaft, Abstriche bei den Steuererhöhungsplänen zu machen. „Ich höre mir Gegenvorschläge an, aber ich bin nicht bereit, notwendige Investitionen mit neuen Schulden zu finanzieren“, sagte sie. „Wenn es jetzt ganz viele andere Ideen gibt, woher das Geld für Zukunftsinvestitionen und Schuldenabbau kommt, bin ich gerne bereit, darüber zu reden.“

Damit lenkt Göring-Eckardt die Aufmerksamkeit der Union Richtung Grüne – unmittelbar vor Beginn der ersten Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD über eine Große Koalition. Die Gespräche finden am Freitag statt. Mit den Grünen spricht die Union eine Woche später. „Ich bin aber sehr skeptisch, ob wir inhaltlich tatsächlich zusammenkommen“, sagte Göring-Eckardt.

Die CDU-Fraktionschefs von Baden-Württemberg und Thüringen haben sich für eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene ausgesprochen. „Ich glaube, dass die Schnittmengen von Schwarz und Grün ausreichend genug sind, um eine stabile Regierung zu bilden“, sagte der baden-württembergische CDU-Fraktionschef Peter Hauk in Stuttgart. Das gelte besonders, wenn die Grünen schon wegen des Wahlergebnisses näher zur Mitte rückten. Mike Mohring aus Thüringen sah Anknüpfungspunkte etwa bei einer nachhaltigen Haushaltspolitik, beim Schutz des ungeborenen Lebens und bei einer Energiewende, die Bürger nicht über Gebühr belaste. Es sei wichtig, dass die CDU zielorientierte Gespräche „auf Augenhöhe“ mit SPD und Grünen führe.

Wenig Willen zur Einigung mit den Grünen zeigt die CSU. Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte: „Die Grünen haben die Quittung dafür bekommen, dass sie eine Politik der Verbote, der Bevormundung, der Arroganz, der Besserwisserei, der Steuererhöhung und der Verharmlosung der Pädophilie betrieben haben.“ Die Union habe den klaren Wählerauftrag bekommen. „Wir werden diesen Erfolg nicht durch irgendwelche Experimente gefährden“, sagte Dobrindt. Die SPD ermahnte er gleichzeitig, staatspolitische Verantwortung zu übernehmen: „Eine krachend verlorene Wahl gibt der SPD nicht das Recht, aus Trotz in einen Fundamentalstreik zu gehen.“

Zwei Tage vor dem ersten Gespräch mit der Union zogen Sozialdemokraten immer mehr rote Linien für die Bildung einer Großen Koalition. Präsidiumsmitglied Martin Schulz sagte, Gespräche seien sinnlos, wenn die Union nicht zu einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro bereit sei. Die SPD-Frauen machten die Abschaffung des Betreuungsgeldes und eine Frauenquote zur Bedingung. Beim Betreuungsgeld gebe es keinen Verhandlungsspielraum sagte CSU-General Dobrindt. Auch Steuererhöhungen schloss er aus. Vielmehr gehe die Union mit dem festen Plan in die Verhandlungen, die kalte Progression abzubauen.

Die beiden Linken-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie Fraktionschef Gregor Gysi haben sich unterdessen in einem Schreiben an die Führung von SPD und Grünen gewandt, um eine Zusammenarbeit einzufordern. Vieles spreche dafür, dass es „mehrere Monate dauern könnte“, bis eine neue Regierung gebildet sei, heißt es in dem Schreiben. „Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Zeit nicht ungenutzt verstreichen darf“, schreibt die Linken-Spitze weiter und rechnet vor: „Wir können zusammen 319 Stimmen im Deutschen Bundestag mobilisieren, um schnell wichtige Projekte umzusetzen, die den Mehrheitswillen der Bevölkerung abbilden.“ Die Linke schlage daher vor, „das vorhandene Zeitfenster und unsere gemeinsame parlamentarische Mehrheit zu nutzen“, um zu erfüllen, was „wir den Wählerinnen und Wählern im Wahlkampf fast gleichlautend versprochen haben“. Adressiert ist das Schreiben persönlich an die „sehr geehrte Frau Roth“, an Grünen-Chef Cem Özdemir, die beiden Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin, an SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sowie an SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

Im zweiten Teil des Schreibens macht die Linke konkrete Vorschläge: die Abschaffung des Betreuungsgeldes und die Einführung eines bundesweit einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns. Bei der Abschaffung des Betreuungsgeldes herrsche zwischen den Parteien „Konsens“, der „ohne Weiteres in eine gemeinsame parlamentarische Initiative münden“ könnte. Auch bei der Einführung eines Mindestlohns sieht die Linke Spielraum. Zwar räumt sie in dem Schreiben ein, dass es „unterschiedliche Vorstellungen“ über die Höhe eines gesetzlichen Mindestlohns bei den drei Parteien gebe. Zugleich signalisiert sie aber Verhandlungsbereitschaft: „Wir sind uns aber sicher, dass diese (Unterschiede, Anm. der Red.) einer Einigung über eine schnell abstimmungsfähige Gesetzesvorlage nicht im Weg stehen würden.“ Die Linke fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro die Stunde, SPD und Grüne von 8,50 Euro. Die Union spricht sich dafür aus, dass die Lohnuntergrenzen von den Tarifparteien festgelegt werden. Die Linken-Chefs erklären zudem in ihrem Brief ihre Bereitschaft, auch „gern“ über weitere Vorschläge für Reformprojekte vonseiten der SPD und der Grünen zu diskutieren. Der Brief endet mit den Worten: „Dies ist die Stunde des Parlaments. Wir sollten sie nutzen.“

Der Brief ist ein Versuch, SPD und Grüne unter Druck zu setzen. Bereits in der vergangenen Woche hatte Linken-Chefin Kipping die beiden anderen in einem Interview zu einer gemeinsamen Mindestlohn-Initiative aufgefordert. Während die Jusos den Vorstoß als mögliche „Option“ begrüßten, erteilte ihm der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, umgehend eine Absage: „Der gesetzliche Mindestlohn ist für uns viel zu wichtig, als dass man ihn für parteitaktische Spielchen missbrauchen sollte.“ Die SPD werde sich auch ohne die „Nachhilfe“ der Linken für den gesetzlichen Mindestlohn einsetzen.