Angeklagte soll kurz vor dem Mordanschlag 2006 in Dortmund mit Komplizen in der Stadt beobachtet worden sein

Hamburg/München. Vor allem eine Frage soll der Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe klären: War sie an den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) beteiligt, und wenn ja, wie stark war sie gemeinsam mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in die Planung der rassistischen Morde involviert? Bisher schweigt Zschäpe vor Gericht zu den Vorwürfen. Aussagen von Zeugen hatten in den Vernehmungen immer wieder nur von zwei Männern berichtet, die zur Zeit der Morde an den Tatorten gesehen worden waren – nicht aber von einer Frau. Auch der Vater des Hamburger Opfers Süleyman Tasköprü sagte 2001 laut Polizeiprotokoll unmittelbar nach der Tat, er habe zwei Männer aus dem Lebensmittelgeschäft in Bahrenfeld gehen sehen. Deutsche, ergänzte der Vater damals.

Und so wurde der gestrige Verhandlungstag im NSU-Prozess in München umso mehr mit Spannung erwartet: Eine Zeugin will Zschäpe mit ihren mutmaßlichen Komplizen kurz vor einem Mordanschlag in Dortmund gesehen haben. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt hätten zusammen mit einem „Skinhead“ auf einem Nachbargrundstück gestanden, berichtete die Journalistin vor dem Oberlandesgericht. Sie habe die Gruppe von einem Dachfenster aus beobachtet. Es habe so ausgesehen, als habe der „Skinhead“ den Dreien etwas auf dem Grundstück gezeigt. Wie die Zeugin schilderte, öffnete sie das Fenster und hatte direkten Blickkontakt mit Zschäpe: „Sie hat nicht den Blick gesenkt, sondern etwas zur Seite gesagt.“ Daraufhin sei die Gruppe im Haus verschwunden. Wenn die Zeitangaben stimmen, war das wenige Tage, bevor im April 2006 in Dortmund Mehmet Kubasik erschossen wurde. Inzwischen haben die Ermittler den früheren Nachbarn der Zeugin vernommen. Er sagte, seine Frau sehe Zschäpe ähnlich. Am Montag wurden den Prozessbeteiligten neue Akten ausgeteilt, darunter die Kopie eines Fotos der Nachbarsfrau. Diese ist allerdings von ziemlich schlechter Qualität.

Die Zeugin erzählte auch, im Jahr zuvor hätten auf dem Grundstück „Grabungsarbeiten“ stattgefunden – teilweise bei Dunkelheit. Sie habe gedacht: „Wenn da gegraben wird und es sind keine Zeugen erwünscht, da werden möglicherweise belastende Dinge vergraben.“ Auch hierfür könnte es eine harmlose Erklärung geben: Der Nachbar erzählte den Beamten des Bundeskriminalamts, er habe einen Teich ausgehoben. Auch gebe es in seinem Bekanntenkreis Leute, auf die die Beschreibung von Böhnhardt und Mundlos passen könne. Mit der rechten Szene will er aber nichts zu tun haben. Der Nachbar und seine Frau sollen am 8.Oktober als Zeugen gehört werden.

Die Hamburger Rechtsanwältin Doris Dierbach bewertet die Aussagen der 63 Jahre alten Zeugin A. als „sachlich“ und „detailliert“. Sie habe mit „großer Klarheit“ ihre Sicht auf die Geschehnisse in Dortmund 2006 vor Gericht erklärt, sagte Dierbach kurz nach Ende der Verhandlung dem Abendblatt. Würden sich die Aussagen der Zeugin erhärten, wäre es ein wichtiger Mosaikstein, um die Anklage der Generalbundesanwaltschaft gegen Zschäpe zu stützen. Dierbach vertritt in der Nebenklage Angehörige des in Kassel erschossenen Halit Yozgat. Vor rund zwei Wochen hatte sie in einem Beweisantrag die Ladung der Zeugin A. gefordert.