SPD beharrt auf höheren Spitzensteuersatz, CSU-Chef schließt das aus. Über Posten wird schon vor Beginn von Sondierungsgesprächen spekuliert

Düsseldorf/Berlin. Noch vor Beginn der Sondierungsgespräche mit der SPD wird das Thema Steuern zum Haupthinderungsgrund für eine Große Koalition. Führende Unionspolitiker haben Steuererhöhungen nämlich eine strikte Absage erteilt. „Die Bürger haben darauf mein Wort“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer der „Bild am Sonntag“. Der Staat müsse mit dem auskommen, was er habe. „Deshalb kommen Steuererhöhungen für meine Partei nicht infrage.“ Seehofer gehört neben Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) und Gerda Hasselfeldt (CSU), Kanzleramtsminister Ronald Pofalla sowie den Generalsekretären Alexander Dobrindt (CSU) und Hermann Gröhe (CDU) zu den Verhandlungsführern bei den Gesprächen.

Die SPD hatte am Freitag den Weg für Sondierungsgespräche mit der Union freigemacht. Ein Kleiner Parteitag billigte überraschend geschlossen ein erstes Treffen, das vermutlich in dieser Woche stattfinden wird. Die SPD will dabei auf der Anhebung des Spitzensteuersatzes beharren. Entgegenkommen ist von der SPD einstweilen nicht zu erwarten. So kann die Partei den Preis für ihre Zustimmung nach oben treiben. Bleibt die Union bei ihrem Nein zu Steuererhöhungen wird sie in anderen Punkten weitreichende Zugeständnisse machen müssen.

In der SPD sorgt man sich unterdessen, Spekulationen über die von ihr beanspruchte Zahl von Ministerien und deren personelle Besetzung könne das Misstrauen in Teilen der eigenen Basis gegenüber der Berliner Parteiführung vergrößern. Die Forderung des Sprechers des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, die SPD müsse in einer Großen Koalition den Bundesfinanzminister stellen, löste parteiintern Kopfschütteln aus. Allein um „Inhalte“ solle es nun gehen, wurde als Sprachregelung ausgegeben.

Der Beschluss des Parteikonvents vom Freitag ist mit dem zuvor verabschiedeten Papier des Vorstandes der nordrhein-westfälischen SPD in großen Teilen identisch. Wichtige Unterschiede aber gibt es sehr wohl. So wurde ein markanter Satz aus dem NRW-Beschluss nicht übernommen: „Die SPD ist nicht dafür angetreten, um als Mehrheitsbeschafferin die CDU an der Regierung zu halten.“ Ebenso fehlt die Aussage: „Eine Demokratie braucht auch eine starke Opposition, die als klare Alternative zur Regierungsmehrheit wirkt.“ Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mied solche konfrontativen, provokanten Formulierungen – anders als zuvor die NRW-Landesvorsitzende, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Dafür tauchen im Vergleich zusätzliche inhaltliche Details als Bedingungen auf, die den konstruktiven Charakter betonen, zugleich aber als weitere Hürden zu verstehen sind. Neben den Positionen „Politik für gute Arbeit und die gerechte Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme“, „eine gerechte und auskömmliche Steuer-, Finanz- und Haushaltspolitik“, „eine Stärkung der Kommunen“, „eine verantwortliche Gestaltung der Energiewende“, „verantwortungsvolle Europapolitik“ wurde im Parteikonvent hinzugefügt: „gute Bildung und starke Forschung“, „Entwicklung und Sicherung der Infrastruktur“ sowie „moderne Familien-, Gleichstellungs-, Integrations- und Gesellschaftspolitik“. Diese Auflistung sei bewusst „inhaltlich nicht hart“, heißt es. Gabriel und die führenden Köpfe der Partei haben es bislang vermieden, etwaige „rote Linien“ zu formulieren. Das von der SPD stets kritisierte Betreuungsgeld etwa könnte sehr wohl Teil einer Koalitionsvereinbarung werden; es ist ein Prestigeprojekt des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Bei entsprechenden Gegenleistungen würde die SPD es wohl mittragen. Am ehesten noch gelten ein höherer Spitzensteuersatz und die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes als Kernforderungen der Sozialdemokratie.

Der Verhandlungsgruppe der SPD gehören Gabriel, der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier, der ehemalige Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, Generalsekretärin Andrea Nahles sowie die stellvertretenden Parteivorsitzenden, NRW-Ministerpräsidentin Kraft und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz an. Noch vor wenigen Tagen hatte es in der Partei geheißen, nur die „Troika“ (also Gabriel, Steinmeier und Steinbrück) „plus Kraft“ werde sondieren. Das war auf Widerstand gestoßen. Mit der Einbindung von Kraft, die in der vergangenen Woche ziemlich unverhohlen gegen eine Große Koalition wetterte, bindet Gabriel eine Widersacherin ein. Die Konkurrenz zwischen der Berliner SPD-Spitze und den sozialdemokratisch regierten Ländern ist vorerst relativiert.

Entgegen allen öffentlichen Beteuerungen wird innerhalb der SPD längst über das Personal einer Großen Koalition sinniert. Sechs oder sieben Ministerien werde man beanspruchen, ist zu hören. Aussichtsreichster Anwärter für das Arbeits- und Sozialministerium ist SPD-Chef Gabriel. Er dürfte zudem Vizekanzler werden. Hatte die SPD von 2005 bis 2009 das Auswärtige Amt (Steinmeier) geführt, hat daran das Interesse nachgelassen. Umso interessierter ist die SPD daran, den Finanzminister zu stellen. Dafür wird unter anderem NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans gehandelt. Für dieses – und jedes andere „klassische“ Ressort – wäre ebenso Thomas Oppermann geeignet, der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion. Generalsekretärin Andrea Nahles und Parteivize Manuela Schwesig werden als Ministerinnen gehandelt, etwa für Entwicklungshilfe oder Familie.