Findet die Kanzlerin keinen Koalitionspartner, kann es Neuwahlen geben

Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert gibt sich entspannt. Die Bundesregierung sei voll arbeits- und handlungsfähig, dies wüssten auch die internationalen Partner, sagte er in Berlin. Hat Seibert recht? Im Grundgesetz ist eine Übergangsphase nach einer Bundestagswahl vorgesehen. Spätestens nach 30 Tagen, mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages, endet das Amt des Bundeskanzlers. Bis dahin geht die Regierung weiter ihren Geschäften nach. Für die Zeit nach der Konstituierung des Bundestages heißt es in Artikel 69, Absatz 3 des Grundgesetzes, dass auf Ersuchen des Bundespräsidenten der Kanzler verpflichtet ist, die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen – als geschäftsführender Kanzler sozusagen. In den vergangenen 17 Wahlperioden sind zwischen Wahltag und Wahl des Bundeskanzlers zwischen 23 und 73 Tage vergangen.

Kommt keine Koalitionsregierung zustande, käme die Auflösung des Bundestages und eine daran anschließende Neuwahl infrage. Nach Artikel 63 des Grundgesetzes kann der Bundespräsident den Bundestag nur dann auflösen und Neuwahlen anordnen, wenn ein Kanzler in zwei Wahlgängen nicht die absolute Mehrheit der Abgeordneten erhält. Würde dann der Bundestag in einem dritten Wahlgang einen Kanzler mit lediglich einfacher Mehrheit wählen, muss der Bundespräsident den Gewählten innerhalb von sieben Tagen entweder ernennen oder den Bundestag auflösen.

Grundsätzlich könnte Merkel auch eine Minderheitsregierung bilden. Haushaltstechnisch könnte sie eine Weile weiterregieren. Der Haushalt für 2013 ist verabschiedet. Ab 2014 wären die Ministerien ohne verabschiedeten Haushalt nur bei neuen Projekten eingeschränkt. Ohne Zustimmung der derzeitigen rot-rot-grünen Ländermehrheit im Bundesrat kann eine Minderheitsregierung im Bund aber kein neues Gesetz durchbringen. Selbst nicht zustimmungspflichtige Gesetze könnte die Länderkammer mit einem formalen Einspruch stoppen. Die Union könnte diesen nicht mit der dafür notwendigen absoluten Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zurückweisen.

Theoretisch könnte jetzt im Bundestag sogar die rot-rot-grüne Mehrheit bis zur Bildung einer neuen Koalition aktiv werden und etwa wie im Wahlkampf versprochen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes oder die Abschaffung des Betreuungsgeldes beschließen. Der neue Bundestag konstituiert sich am 22. Oktober. Bei Einbringung von Gesetzen sind allerdings Fristen zu wahren und zunächst die Bundestagsausschüsse und der Bundesrat zu beteiligen.