Rot-Grün bleibt Ziel „bis zur letzten Minute“, aber allmählich dreht sich der Wind

Berlin. Nach 14 Minuten ist die Bayern-Wahl abgehakt. Sigmar Gabriel drückt dem Spitzenkandidaten Christian Ude einen Strauß mit roter Gerbera und roten Rosen in grünem Beiwerk in die Hand. Ude hat mit 20,6 Prozent ein achtbares Ergebnis geholt, das aber den Bundestrend spiegelt: Rot-Grün hat laut Umfragen keine echte Machtperspektive. Dennoch soll es am Montag nach der Bayern-Wahl keinen Zweifel geben: Die SPD kämpft bis zur letzten Minute den Kampf für Rot-Grün bei der Bundestagswahl. „Alles andere sind alberne Spekulationen“, meint SPD-Chef Gabriel. Anschließend schwärmt die Parteispitze wieder in den Wahlkampf aus. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ist erst gar nicht da, er wirbt in der Fußgängerzone von Peine in Niedersachsen um Stimmen.

Doch abseits der offiziellen Worte im Foyer des Willy-Brandt-Hauses sind die „albernen Spekulationen“ sehr wohl Thema in den SPD-Zirkeln, auch wenn Generalsekretärin Andrea Nahles tapfer betont: „Überlegungen für andere Szenarien gibt es nicht.“ Denn die Aussicht, nur eine große Koalition erreichen zu können, kann SPD-Wähler demobilisieren. Wo sich noch vor Wochen eine Stimmung breitmachte, auf keinen Fall wieder Juniorpartner in einer Merkel-geführten Regierung zu werden, dreht sich langsam der Wind.

Die in ihren Stimmungsschwankungen oft unkalkulierbare SPD könnte – bei fehlender Mehrheit sowohl für Schwarz-Gelb als auch für Rot-Grün und bei einem überraschend guten SPD-Ergebnis – zu einem recht unangenehmen Verhandlungspartner für die Union werden. So oder so wird es vor allem auf die neun SPD-Ministerpräsidenten ankommen, die durch die rot-rot-grüne Mehrheit im Bundesrat ein gewichtiges Wort mitreden könnten. Wegen der Macht in der Länderkammer ist die Position der SPD stärker als 2005. Daher könnte sie durchaus mit der großen Koalition liebäugeln, wenn Rot-Grün verpasst wird, getreu dem Bonmot von Franz Müntefering: „Opposition ist Mist“.

Derzeit setzt die SPD jetzt auf eine Schlussmobilisierung zugunsten der SPD. Am Montag nahm sich Gabriel besonders die FDP zur Brust. Der deutsche Parlamentarismus sei „ohne diesen Lobbyismus der FDP“ besser dran, sagte er. Flöge die FDP aus dem Bundestag, stiegen die Chancen, dass Steinbrück doch noch Kanzler werden kann. Laut Umfragen wäre Rot-Grün selbst dann unwahrscheinlich. Aber die Union könnte eine linke Mehrheit im Bundestag gegen sich haben.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte im Phoenix-Interview, das Ergebnis der Bayern-Wahl sei für Merkel „unkomfortabel“, da Horst Seehofer gegen sie Wahlkampf gemacht habe. „Frau Merkel dürfte das nicht gefallen.“ Mit Blick auf die Bundestagswahl am kommenden Sonntag fügte sie hinzu: „Wer nicht von Bayern aus regiert werden will, muss SPD wählen.“