Kardinal Marx geht auf Distanz zum umstrittenen Franz-Peter Tebartz-van Elst. Geduld der Oberhirten schwindet

Limburg/Hamburg. Reinhard Marx hat ein Gespür für Macht. Und für Machtlosigkeit. Der Münchner Erzbischof ist eine Art personifiziertes Frühwarnsystem, weil er Stimmungen gut einschätzen kann: in der Kirche, in Deutschland, im Vatikan. Mit dieser Fähigkeit hat er es immerhin bis zum Kardinal und ins neue Beratergremium des Papstes gebracht. Als 2010 der Augsburger Bischof Mixa wegen Misshandlungsvorwürfen in die Kritik geriet, schaute sich Marx die schlechte Presse eine Weile still mit an. Doch als die Empörung nicht enden wollte, änderte Marx die Strategie. Und überredete Mixa zum Rücktritt. Man könnte auch sagen: Er ließ ihn fallen.

Ähnlich wie damals im Fall Mixa gibt es auch heute wieder einen angeschlagenen Bischof in Deutschland. Franz-Peter Tebartz-van Elst, Oberhirte des Bistums Limburg, steht seit Wochen in der Kritik, es geht um ein sündhaft teures Bauprojekt und eine rätselhafte Flugreise. Wie damals bei Mixa haben auch bei Tebartz-van Elst die Kollegen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) lange gute Miene zum bösen Spiel gemacht.

Doch in einem Interview mit der „Zeit“ hat Reinhard Marx jetzt relativ deutlich durchblicken lassen, dass die deutschen Bischöfe mit ihrer Geduld am Ende sind. „Natürlich tut mir weh, was in Limburg geschieht“, sagte Marx. Auf die Frage, ob die ganze Aufregung nicht vielleicht doch nur eine Medienkampagne sei, sagte der Münchner Erzbischof: „Natürlich gab es auch in der Vergangenheit immer wieder Medienberichte, in denen ein gewisses Interesse aufschien, der Kirche zu schaden. Aber Medienkampagnen laufen ins Leere, wenn da nichts ist. Deshalb sind Aufklärung und Offenheit so wichtig.“ Marx, einer der einflussreichsten Männer der Bischofskonferenz, geht auf Distanz zu Tebartz-van Elst. Man könnte auch sagen: Er lässt ihn fallen.

Das wiegt besonders schwer, denn Marx gehört zum konservativen Flügel der Bischofskonferenz, dem auch Tebartz-van Elst zuzurechnen ist. Am Montag hatte sich bereits der liberale Mainzer Kardinal Karl Lehmann kritisch über die Limburger Situation geäußert: In Rom sei man wohl der Meinung, „dass sich das offensichtlich nicht mehr alleine innerhalb des Bistums Limburg lösen lässt“, sagte Lehmann. Das sei „ein Alarmzeichen“. Aber direkte Kritik am Limburger Oberhirten hatte Lehmann Anfang der Woche noch nicht geäußert.

Hintergrund ist das neue Bischofshaus am Limburger Domberg, das deutlich mehr kosten wird als ursprünglich geplant, wohl mehr als zehn Millionen Euro. Woher das nötige Geld stammt und ob bei der Bewilligung das Kirchenrecht befolgt wurde, ist unklar. Außerdem steht Tebartz-van Elst im Verdacht, über einen Erste-Klasse-Flug nach Indien eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben zu haben. Gläubige starteten Unterschriftenaktionen gegen ihren Bischof, Priester protestierten öffentlich. Die Lage im Bistum ist völlig verfahren.

Die Worte des Mainzer Kardinals Lehmann, vor allem aber der Marx-Vorstoß setzen Franz-Peter Tebartz-van Elst nun weiter unter Druck. In einer Zeit, in der er das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen wollte. Er hatte sich Schützenhilfe aus Rom erbeten und empfing am Montag einen hochrangigen Vatikandiplomaten, den italienischen Kardinal Giovanni Lajolo. Der Gesandte soll sich ein Bild von der Situation machen. Offiziell ist von einem „brüderlichen Besuch“ die Rede. Die Botschaft, die das Limburger Ordinariat senden will, lautet: Der Papst stärkt dem Bischof den Rücken.

Es gibt aber auch noch eine andere Lesart des Lajolo-Besuchs. Eine Solidaritätsadresse hätte der Papst oder seine Bischofskongregation auch von Rom aus verschicken können. Stattdessen will man sich offensichtlich aus erster Hand vom Klima in Limburg überzeugen. Das ist auch ein Signal ans Kirchenvolk: Die Kurie nimmt die Aufregung ernst und verlässt sich nicht auf die Darstellung des umstrittenen Bischofs, sondern hört auch andere Betroffene. Der Gesandte Lajolo will auch mit Kritikern sprechen.

Sie werden teilweise wenig Erfreuliches zu sagen haben. Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz, ein Kritiker des Bischofs, hat bereits angekündigt, Klartext mit dem päpstlichen Gesandten reden zu wollen. „Ich werde ihm in aller Offenheit sagen, dass ich den Bischof in der Ausübung seines Dienstes behindert sehe, weil sich das Bistum in einer tief greifenden, zerstörerischen Vertrauenskrise befindet“, sagte zu Eltz dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Neben der Gefühlslage im Bistum muss den Gesandten Lajolo allerdings vor allem interessieren, wie es mit der eidesstattlichen Versicherung aussieht. Sollte Tebartz-van Elst in dieser Sache tatsächlich angeklagt werden oder gar einen Strafbefehl akzeptieren, wäre er als Bischof kaum zu halten.

Allein vor diesem Hintergrund ist die päpstliche Gesandtschaft mehr als ein gemütliches Beisammensein unter Freunden. Das weiß auch der Münchner Kardinal Marx. Auf die Frage „Kann ein Bischof Bischof bleiben, wenn die Justiz auf Falschaussage erkennt?“ antwortet er in der „Zeit“: „Das müsste zunächst einmal passieren.“ Und fügt vielsagend hinzu: „Im Übrigen gelten auch für Bischöfe wie für alle Gläubigen die Gebote von Wahrhaftigkeit.“