Junge Frauen fahren sich fest zwischen dem Wunsch nach Kindern und der Karriere-Orientierung. Und keiner hilft ihnen, stellt die neue Studie der Zeitschrift „Brigitte“ fest

Die heute 25- bis 35-Jährigen sind wahrscheinlich die erste Generation von Frauen, der es nicht gelingt, sich zwischen beruflichen und Familien-Erwartungen einzupendeln. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommt die neue „Brigitte“-Studie „Frauen auf dem Sprung – das Update 2013“, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Die Situation der jungen Frauen habe sich zugespitzt, sagte die Leiterin der Studie, Prof. Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. „Sie klammern sich mental an den Karrieregedanken und führen, sobald sie Mütter sind, gleichzeitig ein Leben, mit dem sie ihre beruflichen Träume wohl nicht mehr verwirklichen werden.“ Das Update ist eine Erweiterung und Aktualisierung der gleichnamigen „Brigitte“-Studie des Jahres 2007. Die damals 17 und 19 beziehungsweise 27 und 29 Jahre alten Teilnehmer – mehr als 2000 Frauen und Männer – sind jetzt noch einmal in ausführlichen Interviews über ihre Lebensentwürfe, Erwartungen und bisherigen Erfahrungen befragt worden. 42 Prozent haben inzwischen ein Kind bekommen, 80 Prozent sind im Beruf, 51 Prozent leben mit ihrem Partner zusammen.

Das Ergebnis: Gerade auf jungen Frauen lastet ein zunehmender Druck: Der Wunsch nach einer gut bezahlten und anregenden Erwerbstätigkeit ist bei ihnen selbst gestiegen, er wird auch von mehr jungen Männern unterstützt als vor fünf Jahren. Jeder erwartet heute, dass eine junge Frau für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen kann und ihre Aussichten ausbaut. Gleichzeitig ist das Thema Kind den Frauen noch wichtiger geworden: 85 Prozent wünschen sich Kinder (2007: 82 Prozent). Aber hier zogen die jungen Männer nicht mit. Auch wenn sie zu 80 Prozent sagen, „Kinder gehören zu einem erfüllten Leben dazu“, gehen die meisten laut Studie davon aus, dass „für andere Männer Kinder ein Nullthema“ und „uncool“ seien.

Frauen fühlten sich in ihrem Kinderwunsch nicht willkommen und bestärkt. „Im Job sehen sie, dass nur Vollzeit und lange Anwesenheit im Büro zu Erfolg und Anerkennung führen“, sagt Jutta Allmendinger. Müttern aber eröffnet sich vor allem die Option Teilzeitjob. Mit dieser Perspektive können sich junge Frauen nicht arrangieren: „Sie sehen sich mit ihrem Nachwuchs auf einer Halbtagsstelle hocken, alles schön flexibel, aber in Wahrheit sind sie aussortiert. Nicht als Arbeitnehmerin, aber als Mitarbeiterin, der man verantwortungsvolle, gut bezahlte Aufgaben überträgt. Kind und Karriere, das geht nur mit Mehrfachbetreuung, also mit viel Geld. Und Frauen wissen nicht, wie sie diesen Knoten lösen können.“

Viele Unternehmen hätten mit Betriebskindergärten, Heimarbeit und Flexibilität schon viel zur Vereinbarkeit von Beruf und Kindern beigetragen, sagt Allmendinger. Aber jetzt müssten sie „gute Instrumente finden, Frauen in verantwortungsvolle führende Positionen zu bekommen. Man sollte mit den Frauen über ihre Perspektiven reden, bevor sie schwanger werden, und ihnen Perspektiven aufzeigen.“

Ein anderes Problemfeld: Bei den jungen Männern ist die Bereitschaft, anteilig mehr Familienarbeit zu übernehmen, gesunken. Vielleicht spiegelt sich hier das Erbe der Finanzkrise und die verbreitete Erfahrung, dass der Arbeitsdruck höher und das individuelle Zeitbudget strammer geworden sind; vielleicht aber auch die Haltung: Sollen die Frauen doch selbst sehen, wie sie die Doppelbelastung hinkriegen. Selbst das 2007 in Kraft getretene Elternzeitgesetz hat an der Erziehungs- und Betreuungslast der Mütter noch nicht viel geändert. Von den insgesamt 195.976 Menschen, die im ersten Vierteljahr 2012 Elterngeld für ihr Neugeborenes bekamen, waren 77,4 Prozent Frauen und 22,6 Prozent Männer (Hamburg: 24,3 Prozent Männer, Bayern als Spitzenreiter sogar 27,1 Prozent). Aber während Mama die Leistung im Bundesdurchschnitt 11,7 Monate in Anspruch nimmt, sind es bei Papa 3,3 Monate. 72,3 Prozent der Hamburger Väter nahmen als Auszeit nur zwei bezahlte Vätermonate.

„Bei den Müttern verringert sich also die bezahlte Erwerbsarbeit, während die unbezahlte Familienarbeit zunimmt, bei Männern bleibt die meiste Zeit bezahlt“, resümiert die Studie. Folge: Ein Teil der jungen Frauen, die für die Studie erneut befragt wurden, verschiebt den Kinderwunsch noch weiter in die Zukunft. Andere haben die gewünschte Kinderzahl schon von zwei auf eins reduziert. Dazu gehört auch die Hamburger Humanbiologin und Juniorprofessorin Esther Diekhof, 36, die sagt: „Frauen sind für alles zuständig, Männer machen Karriere.“ Nachkriegskanzler Konrad Adenauer war sich noch sicher: „Kinder werden allemal geboren“. Heute müsste es heißen: „Arbeiten tun die Frauen allemal“ – Kinder sind in ihrem Lebenskonzept nur noch die Zugabe.

Interessant ist auch das Verhältnis von Frauen und Männern zum Thema Aufstieg, Einfluss und Macht. 2007 glaubten drei Viertel der befragten Frauen, dass sich ihre Position und ihr Einfluss nicht verändern würden, 21 Prozent erwarteten einen leichten, drei Prozent einen starken Aufstieg, zwei Prozent einen Abstieg. Das ließ nicht gerade auf überbordenden Optimismus schließen. Bei den Männern war die Aufstiegserwartung mit 27 Prozent etwas höher. Beide Geschlechter gingen von einer hohen Kontinuität im Lebensverlauf aus. Man könnte sagen: Die jungen Deutschen sind vorsichtig, was ihre Zukunftserwartungen betrifft; sie hoffen eher, den Status zu erhalten als ihn auszubauen. Die Forscher wunderten sich trotzdem: Seit den 1990er-Jahren sind die Frauen sozio-ökonomisch viel weiter gekommen, als Männer es wahrzunehmen scheinen oder zugestehen wollen. Aber der Statusgewinn der Frauen schlägt sich weder in ihren eigenen Erwartungen, noch in den realen Positionen mit Macht und Einfluss nieder. Und immer noch sind die Frauen zutiefst unzufrieden mit ihrem Gehalt – nur die Hälfte fühlt sich angemessen bezahlt. Daran hat sich seit 2007 nicht viel geändert; die zähe Macht der Geschlechterklischees wirkt immer noch.

Offenbar unterschätzen Männer auch, was Frauen erreichen wollen. Das zeigt die neue Studie anhand der Frage: Was glauben Sie, was anderen wichtig ist? Bei den Zielen „Karriere machen“ und „Viel Geld verdienen“ schätzten Frauen das eigene Geschlecht als viel ehrgeiziger ein, als es die Männer taten. Beispielsweise meinen 76 Prozent der Frauen und nur 65 Prozent der Männer, dass Frauen viel verdienen wollen. Nur beim Kinderwunsch stimmten beide fast überein: 61 Prozent der Frauen und 63 Prozent der Männer denken, das „Kinder bekommen“ den Frauen wichtig sei.

Der Politik stellen junge Frauen (ebenso wie die Männer) ein „verheerendes Zeugnis aus“, sagt Jutta Allmendinger. Selbst bei den gut Ausgebildeten der Bildungseliten sei Politik kaum ein Thema – sie fühlten sich in ihrer Situation nicht repräsentiert. „70 Prozent der befragten Frauen sind wütend, weil so viel an ihnen hängt“, so die Forscherin. Einerseits gute Abschlüsse und hohe Erwartungen an Bildung und Ausbildung, andererseits realer Mangel an Aufstiegschancen, an gleicher Bezahlung und damit auch an gleich guten Möglichkeiten zur Altersvorsorge, an Unterstützung im Familienalltag – „das macht mürbe“. Junge Männer sähen das übrigens genauso, „nur empören sie sich wenig darüber.“

Was die Studie aufzeigt, sind also weniger strukturelle Probleme wie fehlende Kitaplätze, sondern ist ein tief sitzender psychologischer Generationen-Unmut: die Zwickmühle, in jungen Jahren beruflich auf der Erfolgsspur zu bleiben und zugleich genug Zeit für wichtige familiäre Weichenstellungen zu haben. Die fordern jungen Frauen nämlich mehr Grips, Organisationstalent und Einsatz ab als jungen Männern. Das gesellschaftliche Ziel, mehr Frauen ihrer Qualifikation gemäß in gehobene und verantwortungsvolle Positionen zu bekommen, soll mit privat organisierten Familienmühen erreicht werden – von den Frauen selber natürlich. Das fühlt sich nicht wie „Überholspur“ an, sondern wie Stop and Go. Karrieren von Frauen müssen anders verlaufen können als die von Männern. Aber dafür gibt es noch nicht genügend Modelle.

Jutta Allmendinger u.a., 2013: „Lebensentwürfe heute. Wie junge Frauen und Männer in Deutschland leben wollen“. Die Studie wurde vom WZB, dem infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft und der Frauenzeitschrift „Brigitte“ durchgeführt. Sie ist als Discussion Paper des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) erschienen: WZB Discussion Paper P2013-002