Bundesregierung fordert Reaktion auf Giftgaseinsatz, schweigt aber darüber, wie sie aussehen sollte. Auch SPD und Grüne halten sich bedeckt

Berlin. Deutschland spielt bei der Vorbereitung einer militärischen Intervention des Westens in Syrien eine Nebenrolle. Die wichtigsten europäischen Verbündeten von US-Präsident Barack Obama sitzen in London und Paris. Anfragen nach einer Beteiligung der Bundeswehr an den zu erwartenden Luftschlägen gab es nach Auskunft der Bundesregierung bislang nicht. Von Berlin erwarten die Amerikaner nur politische Unterstützung, vielleicht noch logistische oder humanitäre Hilfen.

Anders als vor zwei Jahren in Libyen scheint die Bundesregierung dazu bereit. Das hängt auch damit zusammen, dass nicht nur Obama den Einsatz von Giftgas im syrischen Bürgerkrieg einst als „rote Linie“ definierte. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) machten sich diese Sichtweise zu eigen. Also betont Westerwelle nun, dass es Folgen haben müsse, wenn sich der Einsatz von Chemiewaffen in Damaskus bestätige: „Dann wird Deutschland zu denjenigen gehören, die Konsequenzen für richtig halten.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ ihren Regierungssprecher ausrichten, wie die USA gehe auch Deutschland inzwischen „mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit davon aus, dass es zum ersten großflächigen Einsatz von Chemiewaffen im 21. Jahrhundert gekommen ist“. Darauf müsse die Staatengemeinschaft nun eine Antwort geben: „Auf einen solchen schweren Verstoß gegen die Chemiewaffenkonvention muss reagiert werden.“ Wie diese Reaktion aussehen sollte, darüber schwieg sich die Regierung aber aus.

Völkerrechtlich wäre ein Militärschlag nur dann unzweifelhaft legitimiert, wenn es ein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen gäbe. Das allerdings wird bislang von den Veto-Mächten Russland und China blockiert. Interessant ist daher die Frage, wie sich die Bundesregierung positioniert, sollten die Amerikaner und ihre Partner ohne Mandat losschlagen.

Dazu hat sich aus den Reihen des Kabinetts bislang nur Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) geäußert. Der hält einen Uno-Beschluss für nicht zwingend notwendig. „Die Bundesregierung und auch die FDP haben immer gesagt: kein militärischer Einsatz ohne internationales Mandat“, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“. Allerdings handele es sich „bei dem Giftgasangriff offensichtlich um einen groben Verstoß gegen das Völkerrecht, der eine militärische Reaktion legitimieren kann.“

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU). „Wenn der Uno-Sicherheitsrat aufgrund einer Blockade von Veto-Mächten solche Konsequenzen nicht zieht, bleibt die internationale Gemeinschaft trotzdem dazu (eine militärische Reaktion, die Red.) aufgefordert und berechtigt“, sagte der CDU-Politiker dem „Handelsblatt Online“. Die sogenannte Schutzverantwortung der Vereinten Nationen gebe dafür eine „klare völkerrechtliche Grundlage“.

Auch die Opposition wird kaum deutlicher. SPD und Grüne hatten 1999 im Kosovo-Krieg erstmals das Tabu gebrochen, dass die Bundeswehr nur mit einem Uno-Mandat in einen Krieg eingreifen darf. Das hemmt eine überzeugend wirkende Empörung gegen ein ähnliches Vorgehen der USA, Frankreichs und Großbritanniens im Falle Syriens. Beide Parteien versuchen deshalb auf Zeit zu spielen. Die SPD-Führung plädierte für ein Abwarten: mal bis zum Abzug der Uno-Inspektoren aus Syrien, mal bis zum G20-Gipfel Ende nächster Woche im russischen St. Petersburg. Ein Sonderproblem der SPD ist, dass ausgerechnet der sozialistische Präsident Frankreichs, François Hollande, eine treibende Kraft hinter dem Militärschlag ist. Die Bundesregierung folgte diesen Forderungen insoweit, als sie die am Mittwoch bekannt gewordene Initiative Großbritanniens begrüßte, dem Uno-Sicherheitsrat erneut eine Syrienresolution vorzulegen. Westerwelle appellierte an Moskau, „jetzt diese Gelegenheit zu nutzen, eine entschlossene und geschlossene Haltung der internationalen Gemeinschaft gegen den Einsatz von chemischen Massenvernichtungswaffen herbeizuführen“. Seine Hoffnung, dass dieses Vorhaben gelingt, ist allerdings gering: Derzeit könne man sich „eine politische Lösung kaum mehr vorstellen“, sagte er der „NZZ“.

Alle deutschen Parteien haben bei ihren Positionierungen auch die Bundestagswahl im Hinterkopf. Schließlich lehnen laut einer Umfrage des „Sterns“ 69 Prozent der Deutschen eine Militärintervention ab. Die Linke hat schon begonnen, mit dem Thema Wahlkampf zu machen. Die Partei, die jegliche Militäreinsätze pauschal ablehnt, organisierte am Dienstag eine Demonstration vor der US-Botschaft in Berlin.