Für Finanzminister Schäuble ist ein neues Hilfsprogramm unausweichlich. Endgültig entschieden wird aber erst Mitte 2014

Berlin. Die Bundesregierung hatte sich ihre Strategie so schön zurechtgelegt. Bis zu den Bundestagswahlen wollte sie Ruhe in Sachen Euro-Krise haben. Und lange Zeit ging diese Strategie wunderbar auf. Doch die Einschläge kommen immer näher. Zunächst entdeckte der Internationale Währungsfonds neue Milliardenlücken in der griechischen Finanzplanung, die im hohen einstelligen oder niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag liegen. Kurz darauf gelangte eine interne Einschätzung der Bundesbank an die Öffentlichkeit, die ein drittes Hilfsprogramm schon Anfang 2014 für nötig hält.

Und nun hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) persönlich für Aufregung gesorgt, als er sagte, Griechenland brauche ein drittes Hilfsprogramm. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versucht weiter im Vagen zu bleiben und hat das Volumen eines möglichen dritten Hilfspakets offengelassen. Im Sat.1-Sommerinterview sagte sie: „Welche Summen gegebenenfalls notwendig sind, kann ich heute nicht sagen. Das können wir erst Mitte des nächsten Jahres sagen.“ Die Meinung vieler Experten ist aber klar: Schäuble sprach nur das aus, was die Bundesregierung wirklich denkt und was fast alle Ökonomen schon lange glauben: Ein neues Hilfsprogramm für Griechenland ist unabwendbar. Viele Fragen sind allerdings noch offen:

Wird es ein drittes Rettungspaket für Griechenland geben?

Mit großer Sicherheit ja. Nicht nur zahlreiche Ökonomen, sondern auch Bundesbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) gehen davon aus, dass die Europäer mehr Geld an Athen überweisen müssen. Auch die Euro-Partner hatten Ende 2012 angekündigt, das hoch verschuldete südeuropäische Land nach Ende des Hilfsprogramms ab 2015 zu unterstützen, wenn es sich dann nicht selbst finanzieren kann. Fast alle Experten rechnen damit, dass sich Athen dann noch immer kein Geld von Privatinvestoren leihen kann. Das ahnt auch Schwarz-Gelb. Öffentlich allerdings verweist das Regierungslager in Berlin auf die Fortschritte Athens sowie bisher erfüllte Programmauflagen und betont: Über mögliche neue Hilfen werde erst später entschieden.

Weshalb werden neue Hilfen notwendig?

Im Rahmen der ersten beiden Rettungsprogramme wurden bereits 237 Milliarden Euro an Athen zugesagt. Aber schon bei Verabschiedung des zweiten Hilfspakets war absehbar, dass das Geld nicht reichen dürfte. Annahmen etwa zur Wirtschaftsentwicklung, Schuldenlast oder Privatisierungserlösen scheinen zu optimistisch. Zu schaffen machen Athen nicht nur Finanzlücken im Etat der kommenden Jahre. Glaubt man jedoch der Athener Regierung, droht 2015/16 keine so große Lücke, wie die von Europäern und IWF geschätzten zehn bis elf Milliarden Euro.

Sind die Haushaltslöcher das einzige Problem Athens?

Nein. Hinzu kommt die weiter steigende Schuldenquote. Zwar wurde schon beim Schuldenerlass im März etwa die Hälfte der Altlasten erlassen. Mit weiteren Hilfskrediten steigt – bei gleichzeitig sinkender Wirtschaftsleistung – aber die Schuldenquote. Für dieses Jahr werden rund 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwartet. Das ist weit entfernt von den als tragfähig geltenden 120 Prozent. Bis 2022 soll der Schuldenstand auf gut 113 Prozent gedrückt werden.

Wie könnte ein weiteres Rettungspaket aussehen?

Neue Hilfskredite sind unwahrscheinlich, weil damit die Schuldenlast noch mehr steigen würde. Einen von vielen Ökonomen geforderten zweiten Schuldenschnitt lehnen Deutschland und andere Euro-Partner strikt ab. Denn dann müssten die öffentlichen Geldgeber, vor allem die Euro-Länder und damit die Steuerzahler Milliarden abschreiben. Auch die Europäische Zentralbank bekäme Probleme. Zudem würden Investoren wieder Vertrauen in die Euro-Zone verlieren.

Welche Alternativen gibt es denn noch?

Es könnten Zinsen für ausgereichte Kredite nochmals gesenkt werden. Der Spielraum ist hier aber nicht allzu groß. Auch könnte die Rückzahlung von Krediten gestreckt werden. Die Euro-Gruppe und die Bundesregierung hatten als eine Option genannt, dem Land eine Kofinanzierung bei EU-Strukturfondsmitteln zu erlassen. Athen könnte mehr EU-Gelder erhalten, um seine Wirtschaft anzukurbeln.

Wie groß könnte ein drittesnRettungspaket ausfallen?

Auf alle Fälle wesentlich kleiner als die ersten beiden Hilfsprogramme. Spekuliert wird über eine Größenordnung von zehn Milliarden Euro. Es dürften auch eher EU-Finanztöpfe angezapft werden statt erneut die Euro-Partner und der IWF. Auch dürften mögliche Auflagen weniger scharf ausfallen als bisher.

Werden noch vor der Bundestagswahl neue Zahlen vorliegen?

Das fordert zwar die Opposition, aber das ist unwahrscheinlich. Die Geldgeber-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF hat erst im Juli ihren jüngsten Bericht vorgelegt und bestätigt, dass das Hilfsprogramm bis dato eingehalten worden und die Schuldentragfähigkeit gegeben sei. Wohl im Oktober wird die Troika eine neue Bewertung vorlegen, auch weil der IWF vor neuen Auszahlungen eine Analyse benötigt. Laut Finanzministerium wird wohl erst Mitte 2014 entschieden, ob und wie Griechenland neue Hilfen erhalten wird.