Prognose: Die gesetzlichen Krankenkassen müssen nächstes Jahr bis zu sechs Prozent mehr für Arzneimittel zahlen

Berlin. Die Ausgaben für Arzneimittel dürften für die gesetzlichen Krankenkassen im kommenden Jahr stark steigen. Das prognostiziert Bertram Häussler, Leiter des privaten IGES-Instituts. Er rechnet damit, dass die Kassen 2014 rund 1,85 Milliarden Euro mehr für Arzneimittel ausgeben werden als im laufenden Jahr. Das entspricht etwa sechs Prozent der Gesamtausgaben für Medikamente.

Hauptverantwortlich für den Kostenanstieg ist der Wegfall eines Sonderrabatts für die Krankenkassen. Der noch unter Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler festgelegte Rabatt sieht vor, dass die Arzneimittelhersteller den gesetzlichen Krankenkassen einen Nachlass von 16 Prozent auf den Medikamentenpreis einräumen. Der Rabatt-Satz war allerdings zeitlich befristet und galt nur von August 2010 bis Ende 2013. Im Januar wird er erheblich sinken: Ab dem kommenden Jahr räumen die Hersteller, die in diesem Zusammenhang von einem „Zwangsrabatt“ sprechen, den gesetzlichen Kassen statt eines Abschlags von 16 Prozent nur noch sechs Prozent ein.

Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Medikamente dürften nach Schätzung von IGES-Leiter Häussler wegen des sinkenden Rabatts um 1,4 Milliarden Euro steigen. Andere Faktoren, etwa neue teurere Medikamente und mehr Verschreibungen, könnten nach seiner Schätzung für weitere Kostensteigerungen von 450 Millionen Euro sorgen. Insgesamt läge das Plus der Medikamentenausgaben der Kassen damit bei sechs Prozent.

Die gesetzlichen Krankenkassen erwarten, dass ihre Kosten noch stärker steigen, als von Häussler prognostiziert. Der GKV-Spitzenverband, der die Interessen der Kassen vertritt, rechnet mit Mehrbelastungen von 1,5 Milliarden Euro jährlich.

Die steigenden Kosten für Arzneimittel werden aber kaum dazu führen, dass der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung in den kommenden Jahren steigt. In den vergangenen Jahren konnten die Kassen erhebliche Reserven aufbauen. Möglich ist allerdings, dass einzelne Kassen wegen der Mehrbelastung Zusatzbeiträge erheben müssen. „Inwieweit einzelne Kassen von den Mehrbelastungen besonders finanziell betroffen sein werden, können wir nicht sagen“, sagt Florian Lanz, der Sprecher des GKV-Spitzenverbandes. „Grundsätzlich treffen diese Mehrkosten alle Kassen, unterschiedlich ist jedoch, wie und in welcher Form die Kassen diese Mehrkosten kompensieren können, etwa durch eigene Rabattverträge.“

Mit dem Sonderrabatt von 16 Prozent sollten die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente stabilisiert werden. Zuvor waren die Kosten für Arzneimittel sehr stark gestiegen. Um die Kostensteigerungen zu begrenzen, wurden zunächst neue Zulassungsregeln beschlossen, bei denen neue Wirkstoffe zunächst auf ihren Nutzen für die Therapie und den Patienten überprüft werden, bevor die Preise für das Medikament verhandelt oder festgelegt werden. Da dieses Verfahren aber eine Anlaufzeit benötigt, um tatsächlich die Ausgaben der Kassen zu senken, wurde der sogenannten Herstellerabschlag befristet auf 16 Prozent angehoben.

Wenn er Anfang kommenden Jahres wieder auf sechs Prozent sinkt, dürften die Arzneimittelausgaben zum ersten Mal seit Längerem wieder deutlich steigen. Zuletzt waren sie fast stabil geblieben. Im Jahr 2012 stiegen sie nur um 200 Millionen Euro und damit um rund 0,6 Prozent. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr betrug allein die generelle Preissteigerung in Deutschland zwei Prozent.

Zwischen 2009 und 2012 sind die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel sogar um 2,7 Prozent gesunken. Diese Entwicklung ist speziell – für Krankenhausaufenthalte und ärztliche Behandlungen mussten die Krankenkassen im gleichen Zeitraum bis zu 11,3 Prozent mehr ausgeben.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA), der die Interessen der Hersteller vertritt, geht denn auch davon aus, dass der niedrigere Rabatt für die Krankenkassen finanziell unproblematisch sein wird. „Auch wenn die Arzneimittel-Ausgaben 2014 steigen, wird die Steigerung in der Gesamtsicht der Jahre 2009 bis einschließlich 2014 voraussichtlich geringer sein als die Inflationsrate“, sagt Birgit Fischer, die Hauptgeschäftsführerin des VfA. „Eine bessere Versorgung bei stabilen Preisen, das ist der Megatrend der vergangenen Jahre.“

Verantwortlich für die niedrigeren Ausgaben für Medikamente waren auch individuell zwischen den Kassen und Herstellern ausgehandelte Nachlässe. Ein weiterer Kostenkiller waren Generika: Laufen die Patente innovativer Medikamente aus, liegen meist schon wenig später günstigere Nachahmer-Präparate mit dem gleichen Wirkstoff in den Schubladen der Apotheken. Ärzte verschreiben dann häufiger die günstigen Nachahmer-Präparate anstatt der teureren Originale.

Rabatte und niedrigere Kosten etwa durch Generika haben im vergangenen Jahr Kostensteigerungen an anderer Stelle größtenteils kompensiert. Der Verbrauch von Medikamenten hat gleichzeitig zugenommen.