Studie: Jeder zweite Zuwanderer möchte gern über den Bundestag mitbestimmen

Berlin. Würden Sie wählen gehen, wenn morgen eine Bundestagswahl wäre und Sie in Deutschland wählen dürften? Diese Frage wurde 1220 Ausländer in Berlin und Stuttgart gestellt. Das Ergebnis ist, dass jeder Zweite gerne politisch mitbestimmen würde. „Das entspricht 1,8 Millionen potenziellen Wählern, die von den Parteien mobilisiert werden könnten“, sagt Dr. Jan Schneider vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration (SVR). „Wir reden ja immer über den Fachkräftemangel, also wollten wir die Wahlabsicht der Angehörigen von Drittstaaten untersuchen. Besonders die mit den entsprechenden Berufen, die man möglichst lange im Land behalten will, sind doch eigentlich für die politischen Parteien eine interessante Gruppe, aber ein Wahlrecht als Anreiz zum Bleiben wird kaum thematisiert.“

Drei von fünf Ausländern in Deutschland stammen aus Nicht-EU-Staaten. EU-Bürger dürfen bei Kommunal- und Europawahlen mitbestimmen. Drittstaatsangehörige verfügen über kein Wahlrecht. Die SVR-Studie zeigt, dass insbesondere gut integrierte Zuwanderer gerne wählen gingen. Laut der SVR-Studie würden 26,8 Prozent der Ausländer der ersten Generation aus einem Drittstaat SPD wählen, 20,3 Prozent die Grünen und 17,6 Prozent die CDU. Bei Eingebürgerten aus Nicht-EU-Staaten verschiebt sich das Wahlverhalten weiter zugunsten von Rot-Grün: 28,3 Prozent wählen SPD, 24,8 Prozent Grüne, 14,9 Prozent CDU.

„Ganz grundsätzlich kann man sagen, dass sich die migrantischen Stimmen mittelfristig eher nach links verlagern werden“, sagt Integrationsexperte Kösemen. „Die zukünftigen Einwanderer und die meisten bereits in Deutschland lebenden Ausländer kommen aus Nicht-EU-Ländern, die darauf achten werden, dass sie aufgrund ihrer Herkunft keine Nachteile erleiden.“

Das Berliner Institut Data 4U hatte vor der Wahl 2009 erfragt, dass gut 55 Prozent der Deutsch-Türken SPD wählen wollen, 23,3 Prozent die Grünen und nur zehn Prozent CDU oder CSU. Als Kanzler favorisierten die meisten den Deutschtürken Cem Özdemir. Eine ebenfalls 2009 erhobene Studie der Universität Mannheim kam zu dem Ergebnis, dass, „wer türkische Wurzeln besitzt und/oder muslimischen Glaubens ist, signifikant häufiger andere Parteien als die CDU/CSU“ wählt.

Ein kommunales Wahlrecht für Ausländer wird von CDU und CSU deutlich abgelehnt, während SPD, Linke, Grüne und FDP für ein Mitbestimmungsrecht von in Deutschland lebenden Ausländern sind. Die Ausländerbeiräte fordern seit Jahren das Wahlrecht für alle dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen unabhängig von ihrem Pass. „Es kann und darf nicht sein, dass ein Großteil der Menschen, die seit Jahren in unserem Land leben, von einem demokratischen Grundrecht ausgeschlossen bleibt, gleichzeitig aber alle anderen Pflichten gegenüber dem Staat erfüllen soll“, heißt es in einer Resolution des Bundeszuwanderungsrates.

Von der Bundestagswahl 2009 waren etwa 8,5 Prozent der volljährigen Bevölkerung ausgeschlossen. Bei der Bundestagswahl 2013 werden es laut SVR etwa neun Prozent sein. „Da besteht Handlungsbedarf“, findet SVR-Studienleiter Jan Schneider. „Dieses große Wählerpotenzial unter Zuwanderern aus Drittstaaten solle zukünftig ausgeschöpft werden.“