CSU-Chef Horst Seehofer will die Koalition im Bund nur schließen, wenn es eine Gebühr für Ausländer auf deutschen Autobahnen gibt. Die Schwesterpartei lehnt das ab.

Berlin/Hamburg. In der Union ist der Streit über eine Pkw-Maut nun offen ausgebrochen. Der Auslöser: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat die Einführung der umstrittenen Abgabe zur Bedingung für einen Koalitionsvertrag nach der Bundestagswahl am 22. September gemacht. Die CDU, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel, lehnt die Maut ab. Lediglich die CSU fordert die Einführung. Das Motiv dürfte klar sein: Eine Woche vor der Bundestagswahl wählen die Bayern einen neuen Ministerpräsidenten.

„Ich unterschreibe als CSU-Vorsitzender nach der Bundestagswahl keinen Koalitionsvertrag, in dem die Einführung der Pkw-Maut für ausländische Autofahrer nicht drinsteht“, sagte Seehofer der Zeitung „Bild am Sonntag“ und hat damit einer alten CSU-Forderung neuen Nachdruck verliehen. Zur Begründung für seinen Vorstoß sagte Seehofer: „Deutschland ist ein Transitland. Kein Mensch hier versteht, dass wir in fast jedem Nachbarland Maut zahlen müssen, deren Bürger bei uns aber nicht.“ Ein modernes Land brauche eine moderne Infrastruktur. „Und wir wollen künftig keine neuen Schulden mehr aufnehmen, sondern Altschulden zurückzahlen.“

Für die CDU schloss der Vize-Parteivorsitzende Armin Laschet die Einführung der Straßengebühr postwendend kategorisch aus: „In einem Koalitionsvertrag wird das stehen, auf was sich CDU und CSU verständigt haben. Die Maut gehört nicht dazu.“ Eigentlich galt der Streit um die Maut schon als entschieden – durch einen von den Generalsekretären Hermann Gröhe (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) ausgehandelten Kompromiss. Diesem zufolge kommt die Forderung nach einer Straßenmaut im gemeinsamen Regierungsprogramm von CDU und CSU eben nicht vor. Sie findet sich lediglich im sogenannten „Bayernplan“, dem CSU-Programm für die Landtagswahl. Indem Seehofer nun die Maut zur Bedingung jeder neuen Koalition macht, kündigt er den Kompromiss mit der CDU auf. Zudem hatte Merkel sich klar gegen die Maut positioniert. Ihr Gegenvorschlag lautet, am Solidaritätszuschlag festzuhalten. Dieser soll 2019 auslaufen. Stattdessen – so Merkel – sollen die Einnahmen aus dem Soli zur Finanzierung der Verkehrswege eingesetzt werden.

Ablehnung auch von der Hamburg-CDU

Abgelehnt wird der Seehofer-Vorstoß auch von den Hamburger Bundestagsabgeordneten. Dirk Fischer, verkehrspolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, verweist auf das Wahlprogramm der Union. „Da ist die Pkw-Maut nicht vorgesehen. Darüber hinaus ist es auch nicht möglich, eine derartige Maut für ausländische Autofahrer einzuführen.“

Dies würde dem Grundsatz widersprechen, dass derartige Vorhaben diskriminierungsfrei durchgeführt werden müssten. Zudem würde sich aus Fischers Sicht eine Pkw-Maut, so wie Seehofer sie fordert, finanziell nicht lohnen. „Damit würde man noch nicht einmal die Ausgaben für ein derartiges System reinbekommen.“ Da auch die Kanzlerin und die FDP gegen die Maut seien, habe sie ohnehin keine Chance. Es gebe daher zwei Möglichkeiten: Entweder Seehofer unterschreibe einen Koalitionsvertrag ohne die Maut oder er verhelfe einer rot-rot-grünen Regierung an die Macht. „Ich habe eine klare Vorstellung, was er dann macht.“

Marcus Weinberg, Hamburgs CDU-Vorsitzender und Bundestagsabgeordneter aus Altona, bezeichnete Seehofers Vorstoß als unklug. „Wenn man sich bereits vor Koalitionsverhandlungen Themen so absolut setzt, dann hat man später keinen Verhandlungsspielraum.“ Die „dogmatische“ Haltung Seehofers setze zudem nicht nur einen Koalitionspartner unter Druck. „Der Druck wird auch innerhalb der Union erzeugt, weil es keine einheitliche Haltung gibt.“ Wenn eine Pkw-Maut überhaupt eingeführt werde, müsse klar sein, dass das Geld auch ausschließlich in die Verkehrsinfrastruktur fließe, so Weinberg.

„Ich nehme das Angebot an, dass Seehofer nicht dabei ist, wenn wir einen Koalitionsvertrag unterschreiben“, sagt Burkhardt Müller-Sönksen (FDP). Die Maut für ausländische Autofahrer sei ein bayerischer Sonderweg. „Den kann man nicht auf Deutschland übertragen.“ Richtig in Rage kommt der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs. „Ich will auch keinen Koalitionsvertrag mit Seehofer unterschreiben. Das, was er fordert, ist rechtswidrig, und das weiß er auch. Deshalb ist das Wählerverarschung.“ Eine Pkw-Maut lehne die SPD komplett ab. „Eine Maut belastet diejenigen, die sich ohnehin nicht viel leisten können. Autofahren kann nicht das Privileg der Besserverdienenden sein.“

Die Schärfe des Streits erklärt sich auch damit, dass die CDU fürchtet, die CSU würde mit der Maut Wahlkampf auf ihre Kosten machen. In Bayern nämlich, einem Land mit viel Transitverkehr und Nachbarländern, die ebenfalls Straßengebühren erheben, ist die Maut – die nach dem CSU-Plan nur Ausländer zahlen sollen – populär.

Seehofer betonte am Sonntagabend im ARD-Sommerinterview, es müsse sich niemand um die Koalition sorgen. Es sei normal, unterschiedliche Positionen zu haben. Das zeige ja auch die FDP. Er werde sich nach erfolgreichen Wahlen in Bayern und im Bund mit CDU-Chefin Angela Merkel und der FDP an einen Tisch setzen: „Und Sie werden sehen, es wird gut ausgehen“, so Seehofer.