Für den Geheimdienstkoordinator wird es heute brisant, wenn er im Kontrollausschuss erklären muss, welche Daten BND an die USA gab.

Berlin. Bei der heutigen Sitzung des Geheimdienst-Ausschusses dürfte die Stimmung aufgeheizter sein als sonst. Weil die Debatte um die Ausspähungen des US-Geheimdienstes NSA und die mögliche Zuarbeit der deutschen Geheimdienste nun in den Wahlkampf fallen, haben die Parteien eine Schlammschlacht begonnen, die schon das letzte Treffen des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) prägte. Während Kanzleramtsminister Ronald Pofalla als Chefaufseher der Geheimdienste betont, diese handelten „zu 100 Prozent“ nach Recht und Gesetz, nährt die Opposition weiter die Zweifel daran. Die PKG-Sitzungen heute und in einer Woche sind von grundlegender Bedeutung: Hier dürfte sich entscheiden, ob die NSA-Debatte nicht doch die Stimmung im Wahlkampf beeinflussen kann.

Diese Debatte wabert seit den Enthüllungen des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden vor rund neun Wochen in viele verschiedene Richtungen. Bis zum 19. August will und soll die Bundesregierung erläutern, was die NSA-Einrichtungen in Deutschland genau machen und wie stark sie den Nachrichtenverkehr in Deutschland aus den USA überwachen. Mehreren nach Washington gereisten deutschen Delegationen wurde zwar versichert, die von Snowden behauptete flächendeckende Datenwut der NSA gebe es gar nicht. Aber mit wachsender Ungeduld wartet die Bundesregierung auf verbindliche, verwertbare Antworten – die auch US-Präsident Barack Obama am Freitag nicht geliefert hat.

Wurden Datensätze des BND für US-Drohnenangriffe genutzt?

In der vorigen PKG-Sitzung legte die Bundesregierung ein erstes NSA-Papier vor, das den Inhalt von drei Prism-Programmen erklärte und eine flächendeckende Überwachung dementierte. Heute sollen den Abgeordneten weitere Dokumente der Amerikaner übergeben werden. Aber eine erschöpfende Antwort sei dies wohl noch nicht, heißt es selbst in der Bundesregierung. Ihr Problem ist: Obama hat zwar selbst ein innenpolitisches NSA-Problem, aber es betrifft nur die Arbeit des Geheimdienstes in den USA. Die Erklärungsnöte der Regierung Merkel und die Datenschutzsorgen der Europäer interessieren Obama weniger. Eine entscheidende Frage wird heute sein, welche Rolle die deutschen Geheimdienste spielen, ob BND und Verfassungsschutz nicht doch gegen Vorschriften des sogenannten G10-Gesetzes verstoßen haben. Der BND sieht sich dem Verdacht ausgesetzt, er könne durch Weitergabe von Handynummern an die NSA bei der gezielten Tötung von Verdächtigen im Ausland geholfen haben. BND-Präsident Gerhard Schindler soll nach Medienberichten die Weitergabe von Mobilfunknummern verdächtiger Zielpersonen an ausländische Partnerdienste angeordnet haben, nachdem es auch im BND dagegen Einwände gab.

Der BND räumt zwar ein, dass Mobilfunkdaten übermittelt wurden, sie seien aber für „eine zielgenaue Lokalisierung nicht geeignet“. Konkret geht es um die Handydaten des Wuppertalers Bünjamin E., der 2010 bei einem US-Drohnenangriff im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet getötet worden war. Er hatte sich dort bei der so genannten „Hamburger Reisegruppe“ aufgehalten, einer Gruppe Hamburger Islamisten, die sich für den Dschihad ausbilden lassen wollten. Die Bundesanwaltschaft hatte im Juli ein Ermittlungsverfahren eingestellt mit der Begründung, die Tötung von Bünjamin E. sei „nach den Regeln des Konfliktvölkerrechts gerechtfertigt und stellt kein Kriegsverbrechen dar“.