Der Grünen-Spitzenkandidat soll das Gesicht der Partei für die Umweltpolitik sein. Dabei will er Finanzminister werden

Berlin. Es ist ein Auftritt, auf den viele Grüne gewartet haben. Jürgen Trittin steht im stickigen Presseraum in der Parteizentrale und sprudelt los. Es geht nicht um Steuerpolitik diesmal oder die Daueraffäre um den US-Geheimdienst NSA. Was der Grünen-Spitzenkandidat am Donnerstagmittag in die Kameras spricht, ist mehr als die Wahlkampfpflicht der vorigen Wochen. Jürgen Trittin spricht über sein altes Lieblingsthema, die Umweltpolitik.

Er stellt einen Zehn-Punkte-Plan vor, mit dem er nach einem rot-grünen Sieg bei der Bundestagswahl die stockende Energiewende vorantreiben will. Natürlich ist das der reinste Wahlkampfauftritt, aber bei Trittin diesmal keine Spur vom sonst manchmal hölzernen Auftreten. Es ist sein Metier, auch wenn er das eigentlich gar nicht so deutlich zeigen möchte. Bei vielen Grünen dürfte Trittins Auftritt Erleichterung ausgelöst haben. Denn hinter den Kulissen war in der Partei in den vergangenen Wochen Unmut darüber laut geworden, dass die Grünen im Wahlkampf bisher keinen klar profilierten Kopf für ihr Kernthema Energiepolitik präsentiert haben. Trittin, der in sieben Jahren als Umweltminister der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder (SPD) für diese Rolle prädestiniert ist, hatte sich für den Wahlkampf ein anderes Imagekonzept zurechtgelegt.

Er will in einer Neuauflage von Rot-Grün Finanzminister werden und hat sich in das Thema eingearbeitet. Trittin will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Sachen Euro-Krise, Schuldenabbau und Steuergerechtigkeit angreifen – und sich nicht mehr auf seine Expertise als Umweltminister festlegen lassen. Aber durchhalten lässt sich das nicht. Denn spätestens nachdem die Grünen-Parteibasis in einem Mitgliederentscheid die Umwelt- und Energiepolitik an die Spitze ihrer Prioritätenliste gesetzt hatte, wurden manche Wahlkämpfer unruhig. Für ihr wichtigstes Politikfeld fehlte das prominente Gesicht. Trittin werde die Fachkenntnis zwar zugeschrieben. Aber er sollte sie auch stärker nach außen zeigen, kritisierten Parteifreunde. Die Grünen-Spitze hat das Problem erkannt und zeigt Trittin inzwischen auf einem Wahlplakat mit dem Slogan „Wir bringen neue Energie“. Und der Auftritt am Donnerstag ist ein weiterer Schritt in Richtung zurück zu den Wurzeln.

Zwar bleibt es dabei: Trittin will Finanzminister werden, als Anwärter auf das Energie- und Umweltressort in einer rot-grünen Bundesregierung wird der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck (Grüne) gehandelt. Aber Trittin muss jetzt eben zweigleisig fahren. Die Grünen können es sich angesichts der schwachen Umfragewerte für Rot-Grün nicht leisten, seine Umweltexpertise zu verstecken.

Und so präsentiert der Spitzenkandidat ein Konzept zur Abbremsung des rasanten Strompreisanstiegs. Private Verbraucher und mittelständische Unternehmen sollten pro Jahr um vier Milliarden Euro entlastet werden, verspricht Trittin.

Außerdem kündigt er an, den Kohlestrom massiv zurückzudrängen. Dazu soll die Energiewende nach der Wahl stärker nach den Regeln von Marktwirtschaft und Wettbewerb organisiert werden. Hoch subventionierte Kohlekraftwerke will Trittin kippen. „Wir müssen dafür sorgen, dass Kohlendioxid einen vernünftigen Preis hat“, sagt er. Damit würde der Betrieb ineffizienter Altanlagen sinnlos.

Dass der Wunschkoalitionspartner das anders sieht, ist Trittin egal: „Manchmal braucht man etwas länger, um zu lernen“, sagt Trittin. Er meint damit natürlich nur die SPD.