Sie werfen Ex-Kanzleramtschef Heuchelei in der NSA-Affäre vor

Berlin. Die Debatte über die NSA-Spähaffäre wird immer mehr vom Wahlkampf überlagert. Die Regierungsparteien CDU und FDP sowie die Linkspartei werfen dem früheren SPD-Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier Heuchelei und Unglaubwürdigkeit vor.

Die damalige rot-grüne Regierung habe 2002 „alle Türen aufgemacht, durch die die NSA und private Konzerne die Daten aus Deutschland absaugen“, sagte die Linke-Vorsitzende Katja Kipping. SPD und Grüne wiesen dies scharf zurück. Eine Überwachung des Internets wie durch das NSA-Projekt Prism habe es damals noch gar nicht gegeben.

Kipping sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“, der jetzige SPD-Fraktionschef Steinmeier sei „der größte Heuchler in der ganzen Spionageaffäre“. Es sei Zeit für einen Offenbarungseid der SPD. Für die Linke führe kein Weg an einem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss nach der Bundestagswahl vorbei. Der FDP-Innenpolitiker Hartfrid Wolff forderte, Steinmeier vor das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste zu laden. Dort soll am Montag Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) erneut aussagen.

Ein Sprecher der Bundesregierung hatte am Mittwoch gesagt, die rot-grüne Koalition habe 2002 die gemeinsame Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes (BND) mit dem US-Geheimdienst NSA abgesegnet. Steinmeier habe damals als Chef des Kanzleramtes die Grundsatzentscheidung getroffen. „Die SPD ist als unglaubwürdig entlarvt“, sagte der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler der „Schwäbischen Zeitung“.

Steinmeier wies die Vorwürfe der Bundesregierung mit Verweis auf die Terroranschläge in den USA vom 11.September 2001 zurück. „Was an Zusammenarbeit zur Aufklärung eines grauenhaften Verbrechens notwendig war, hat nichts zu tun mit der lückenlosen und flächendeckenden Abschöpfung von Daten unserer Bürgerinnen und Bürger“, argumentierte er. SPD-Chef Sigmar Gabriel bezeichnete die Vorwürfe gegen Steinmeier in der „Rheinischen Post“ als absurd.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Die pampige Reaktion von Herrn Steinmeier zeigt deutlich, dass er sich ertappt fühlt.“ Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin wies die Angriffe auf Steinmeier zurück. Entweder habe die unter Steinmeier getroffene Vereinbarung der Auslandsgeheimdienste BND und NSA mit der Ausspähpraxis nichts zu tun, oder die bisherigen Angaben der Regierung seien falsch. Schließlich müssten sonst im Kanzleramt mehr Informationen vorliegen, als die Regierung behaupte.

Sicherheitskreise berichten unterdessen, dass der BND seit 2007 legal Informationen an die NSA weiterleitet. Die Daten stammten aus der BND-Aufklärungsarbeit in Afghanistan und Nordafrika, hieß es am Donnerstag. Hintergrund sei eine Konkretisierung des 2002 geschlossenen Abkommens zwischen den Partnerdiensten über die gemeinsame Fernmeldeaufklärung im bayerischen Bad Aibling.