Politiker und Ex-Richter fordern Fusion der Bundesländer zum Einhalten der Schuldenbremse. Entschiedener Widerspruch kommt vom Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier.

Hamburg. Ein vereinter Nordstaat aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen? Eine Staatenhauptstadt, vielleicht Hamburg, vielleicht Kiel oder Hannover? Für Befürworter einer Länderfusion ist es ein lang gehegter Traum: Die Republik befände sich nicht mehr im Dauerwahlkampf, weil seltener gewählt würde. Die vereinten Länder könnten sich im Wettbewerb der Regionen Europas besser behaupten. Der Staat würde durch den Wegfall von Parlamenten und Behörden Milliarden sparen.

Angesichts massiver Finanzprobleme der Bundesländer wird der Ruf nach Länderfusionen nun wieder laut. „Einige Bundesländer sind offensichtlich in keiner Weise in der Lage, finanziell für sich selbst zu sorgen. Diese Länder werden besondere Schwierigkeiten haben, die Schuldenbremse einzuhalten“, sagte der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, der „Welt am Sonntag“. Daher solle im Rahmen einer Föderalismusreform III „über eine Neugliederung des Bundesgebietes“ nachgedacht werden. Um die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen, müssten die Länder zudem „auf der Einnahmeseite eine größere Gestaltungsmacht“ bekommen, etwa in Form eines Zuschlags auf die Einkommenssteuer. Das Grundgesetz verbietet den Ländern von 2020 an die Aufnahme neuer Verbindlichkeiten. „2020 könnte ein Schicksalsjahr für den deutschen Föderalismus werden. Wer bis 2020 seinen Haushalt nicht in Ordnung gebracht und zukunftsfähig aufgestellt hat, riskiert seine Selbstständigkeit“, sagte der Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos). Auch Hamburgs CDU-Vorsitzender Marcus Weinberg sagte der „Welt am Sonntag“: „Alle Bundesländer müssen prüfen, wie sie ihre Strukturen zusammenlegen können.“ Klar sei, dass die Verwaltungen enger zusammen arbeiten müssten. In Hamburg und Schleswig-Holstein geschehe dies vorbildlich. „Man sollte nicht ausschließen, dass es am Ende solcher Prozesse auch zu Länderfusionen kommt.“ Der niedersächsische FDP-Landesvorsitzende Stefan Birkner ging noch weiter: „Früher oder später wird und muss es zu Länderfusionen kommen.“

Ökonomen pflichten bei. „Aus einer Effizienzperspektive wäre die Fusion von Bundesländern wünschenswert“, sagt Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). „Viele Abläufe im Gemeinwesen liefen schneller und effizienter.“ Einer Berechnung des Bundes der Steuerzahler zufolge kann der Staat jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro sparen, wenn im Zuge der Länderfusionen zehn Prozent des politischen Personals wegfallen. Weiteres Sparpotenzial ergebe sich durch die Zusammenlegung nachgelagerter Behörden.

Entschiedener Widerspruch kommt vom Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier. „Am Ende ist die Zusammenlegung von Ländern keine rein technokratische Frage, die nur danach entschieden werden kann, was haushaltspolitisch sinnvoll ist“, sagte er dem Abendblatt. In Berlin und Brandenburg sei die Fusionierung schon weit vorangeschritten gewesen, dann aber hätten sich die Menschen dagegen entschieden. „Denn Tradition und Identität möchten die Bürger eines Bundeslandes nicht einfach aufgeben.“ Steinmeier hob hervor, dass er „nichts halte von solchen durchsichtigen Versuchen, in der Sommerpause die Berichterstattung zu erzeugen“. Auch Steinmeiers Parteikollege und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil wendet sich klar gegen eine Fusion: Die Neugliederung der Länder sei das Loch Ness der deutschen Politik – die Diskussion tauche einmal im Jahr auf und hinterlasse keine Spuren.“