Verteidigungsminister de Maizière gibt Unklarheiten in Kommunikation zu. Die Schuld für „Euro Hawk“-Scheitern weist er zurück

Berlin. Wann hat Thomas de Maizière was gewusst in der „Euro Hawk“-Affäre? Der Verteidigungsminister sagt, erst am 13. Mai 2013 von unlösbaren Problemen bei der Entwicklung der Aufklärungsdrohne erfahren zu haben. Die Opposition dagegen sammelt seit Wochen Indizien, um dem CDU-Politiker nachzuweisen, er habe früher Kenntnis von dem drohenden Scheitern des Rüstungsprojekts haben müssen.

Als jüngsten Beleg für diese These entdeckte die SPD in den umfangreichen Akten zu dem Beschaffungsvorhaben nun Vermerke mit grünem Textmarker. Grün, das ist die Farbe, mit denen in einem Ministerium der Chef zu schreiben pflegt. In einer Informationsmappe für de Maizière aus dem Dezember 2012, in der auf massive Probleme beim „Euro Hawk“ hingewiesen wird, fanden die investigativen Sozialdemokraten nun also Markierungen in grüner Farbe. Sogar ein Ausrufezeichen war darunter! Der Minister erläuterte der Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Susanne Kastner (SPD), tatsächlich schreibe er gewöhnlich mit grüner Tinte. Allerdings verwende er keinen Textmarker. Also könnten die Anmerkungen nicht von ihm stammen. Im weiteren Verlauf der Befragung stellte sich schließlich heraus, dass es sich bei dem Beweisstück nicht um die Originalakte handelte, sondern um eine Kopie, die wohl von Mitarbeitern bemalt worden war. Damit war das geklärt. Allerdings hätte man sich diesen Ausflug in die Feinheiten der Ministerialbürokratie auch sparen können. Denn in seinen vorhergehenden, rund 45-minütigen Ausführungen zum Thema „Euro Hawk“ hatte Thomas de Maizière seine bisherige Position zur Kenntnisnahme im Mai 2013 bereits geräumt. Es sei „in der öffentlichen Diskussion der unzutreffende Eindruck entstanden“, er sei vor jenem Mai nie über Probleme beim „Euro Hawk“ unterrichtet worden. Im Rückblick müsse er sagen: „Ich bedaure, dass ich mich nicht klarer ausgedrückt habe. Den Eindruck, ich hätte nie etwas gewusst, wollte ich ganz sicher nicht hervorrufen.“

Er stellte also klar, dass er „über lösbare Probleme durchaus unterrichtet war“. Weiter beklagte de Maizière, seine Staatssekretäre hätten ihn insgesamt unzureichend informiert. Personelle Konsequenzen in seinem Ministerium behält er sich deshalb weiter vor: „Es bleibt dabei, dass ich darüber nachdenke.“ Allerdings räumte der Ressortchef ein, er hätte „an der einen oder anderen Stelle nachfragen sollen“.

Ansonsten aber wies der Minister alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück und verteidigte seine Entscheidung zum Stopp des „Euro Hawk“-Projektes. Die Verantwortung für das Scheitern des Projektes und für Fehler schob der CDU-Politiker auf frühere Regierungen. „Die Probleme wurden zu Beginn des Projekts und im Projektverlauf unterschätzt“, sagte de Maizière. So seien die Zulassungsprobleme für die Aufklärungsdrohne bereits beim Start des Projekts bekannt gewesen, zumal nicht einmal in den USA eine Zulassung vorgelegen habe. Das seien die „Geburtsfehler“ gewesen. Auch im weiteren Verlauf habe man versäumt, die Probleme angemessen anzugehen.

Grundsätzlich verteidigte er die Entscheidung für das Projekt aber. „Man wollte den großen Wurf wagen. Das war mutig, aber von Anfang an problembehaftet“, sagte de Maizière. Auch die Entscheidung zum Stopp des Projekts rechtfertigte er. „Nach meiner Bewertung war auch der Zeitpunkt der Entscheidung nicht zu spät.“ Jedenfalls habe er den Schaden nicht vergrößert. „Bei meinem Amtsantritt im Jahr 2011 waren bereits 85 Prozent der Gesamtsumme ausgegeben oder verplant“, sagte de Maizière. Erst danach sei klar geworden, dass die Kosten für die Zulassung einer Drohnen-Serie immens gewesen wären.

Die Opposition reagierte verärgert auf die Aussagen des Ministers. Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold sagte, er sei fassungslos, dass de Maizière „eine Lüge mit einer neuen Lüge“ zurückweisen wolle: „Es ist einfach nicht wahr, dass er nichts wusste.“ Der Minister habe die Probleme lange ignoriert und gebe das nun nur scheibchenweise preis: „Wer die klare Unwahrheit in ein laues Missverständnis umdeutet, der lügt ein zweites Mal. Damit kann Thomas de Maizière nicht länger der Oberbefehlshaber der Bundeswehr sein.“ Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel appellierte an den „Anstand“ des Ministers und forderte ihn zum Rücktritt auf.

Der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour spottete, de Maizière mache den Eindruck eines „armen Mannes“, der mit dem Projekt komplett überfordert gewesen sei. Der Linke-Abgeordnete Jan van Aken warf de Maizière vor, er eiere herum und versuche, die Verantwortung auf andere zu schieben. Das sei peinlich und unwürdig. „Herr de Maizière scheint das Wort Selbstkritik gar nicht zu kennen.“ Der CDU-Politiker habe gelogen: „Wieso darf so einer eigentlich Minister bleiben?“

Koalitionspolitiker nahmen den Minister dagegen in Schutz und wiesen die Vorwürfe der Opposition als haltlos zurück. „Der Minister hat von Anfang an die Wahrheit gesagt“, erklärte der FDP-Obmann im Ausschuss, Joachim Spatz. „Es existiert auch nach der Befragung des Verteidigungsministers kein einziges Indiz, welches das Gegenteil belegt. Wer dennoch fortgesetzt etwas anderes behauptet, enttarnt sich als politisch motiviert und belegt, dass ihm billige Wahlkampfparolen mit hohem Verleumdungspotenzial wichtiger sind als fundiert begründete Beweise.“

Dann legte der Minister dar, welche Konsequenzen er aus der „Euro Hawk“-Affäre gezogen habe. Beschaffung und Materialverantwortung wurden in einem zentralen Amt zusammengeführt. Er habe auch den Beschaffungsprozess optimiert. Verantwortlichkeiten und Entscheidungskompetenzen seien klarer definiert und Schnittstellen reduziert worden. Außerdem gebe es ein neues Projektcontrolling.