Christdemokraten im Norden tun sich schwer, nach ihren Wahlniederlagen wieder auf die Beine zu kommen

Hamburg. Torsten Albig, seit einem Jahr Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, brachte die Sache auf den Punkt. Er sehe mit großer Gelassenheit auf das für den 13. September angekündigte Urteil des Landesverfassungsgerichts, durch das er womöglich seine Landtagsmehrheit verlieren könnte. So sprach der Sozialdemokrat, bevor er seinen Jahresurlaub antrat. Für diesen Fall sei man schließlich allerbestens gerüstet. „In dem desolaten Zustand, in dem die Opposition ist“, sagte Albig mit fast mitleidigem Blick vor allem auf die schleswig-holsteinische CDU, „wären wir mit dem Klammerbeutel gepudert, würden wir mit Neuwahlen nur einen Tag länger warten, als es nötig wäre.“

Nun ist es nicht sonderlich wahrscheinlich, dass die Schleswiger Verfassungsrichter der Kieler Politik in ihrem zweiten wichtigen Verfahren auch zum zweiten Mal eine Neuwahl verordnen. Man wird es stattdessen voraussichtlich bei Maßgaben für die hiesige Sonderregelung für Minderheitenparteien wie den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) der dänischen Minderheit bei zukünftigen Wahlen belassen. Die Empörung bei der Union über Albigs saloppen Spruch war dennoch groß. Der Mann hatte schlicht und ergreifend den norddeutschen Nagel auf den Kopf getroffen.

Zumindest personell können die Christdemokraten derzeit keine ernst zu nehmenden Alternativen für den amtierenden SPD-Ministerpräsidenten finden. Nicht in Kiel, nicht in Hannover, auch nicht in Hamburg, Bremen oder Schwerin. Ein Spitzenkandidat oder, womöglich besser, eine Spitzenkandidatin, die den Herren Albig, Weil, Scholz, Sellering und Böhrnsen Paroli bieten könnte, ist zwischen Sylt, Harz, Ems und Usedom nicht in Sicht.

Am Nachvollziehbarsten, auch am Verkraftbarsten ist diese desperate Lage noch in Niedersachsen. Dort hatte sich die Union nach dem Abgang ihrer langjährigen Führungskraft Christian Wulff zweieinhalb Jahre lang vollzählig hinter seinem Nachfolger David McAllister versammelt. Nach dessen äußerst knapper Wahlniederlage im vergangenen Januar ist man gerade dabei, sich wieder einigermaßen zu berappeln. McAllister selbst, mit 42 Jahren immer noch ein kleiner Hoffnungsträger der Union, sieht zumindest seine nähere Zukunft als Europa-Politiker. Die Niedersachsen-Union wird ihn im November zum Spitzenkandidaten für die EU-Wahl im Jahr 2014 nominieren – keine schlechte Perspektive zumindest für den Fall, dass Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel ihren einstigen Liebling nach der Bundestagswahl im Herbst nicht doch noch in ihr Kabinett bittet.

Eine erneute Kandidatur McAllisters als Ministerpräsident in Niedersachsen ist dagegen mehr als unwahrscheinlich. Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, wichtigste Vertreterin der Niedersachsen-CDU auf Bundesebene, zieht ein Gesicht wie drei Tage Burgwedeler Landregen, wenn sie auf diese Möglichkeit angesprochen wird. Da alle anderen potenziellen Kandidaten wie der amtierende Fraktionschef Björn Thümler, Landesgeschäftsführer Ulf Thiele, Ex-Minister Bernd Althusmann besseres zu tun haben, als ihren Hut vor der Zeit in den Ring zu werfen, ist in Hannover ein vorläufiges Macht-Vakuum entstanden. Ob sich daraus in den kommenden vier Jahren dieser Legislaturperiode doch noch ein interner Machtkampf entwickelt oder eine schlagkräftige Truppe von Herausforderern entsteht, ist derzeit noch offen.

In Hamburg müsste man dagegen eigentlich schon etwas weiter sein. Dort soll in gut eineinhalb Jahren eine neue Bürgerschaft gewählt werden, und wenn bis dahin nicht noch der Michel umfällt, wird es auch nach der Winterwahl 2015 der Sozialdemokrat Olaf Scholz sein, der mit verschmitztem Siegerlächeln von der Regierungsbank grüßt. In der Hamburger Union jedenfalls ist weit und breit kein Konkurrent in Sicht, auch wenn sich Dietrich Wersich sehr darum bemüht, ein guter Oppositionsführer zu sein. Aber das nimmt in Hamburg kaum jemand wahr. Stattdessen: Peronalquerelen, Gerangel um die paar verbliebenen Hauptamts-Pöstchen, die die Elb-Union noch zu vergeben hat. Allein die Aufstellung der Bundestagsliste für die Wahlen in diesem Herbst geriet dem Führungszirkel um Marcus Weinberg zur wenig hanseatischen, vielmehr fies intriganten Kleinstadt-Querele.

Finsterer als an der Elbe sieht es nur noch an der Weser aus. Bei der Wahl 2011 von den Grünen zur drittstärksten Kraft in der Bürgerschaft degradiert, leistete man sich auch hier in der Folge eine rabiate Personalschlammschlacht, bei der die Spitzenkandidatin des Jahres 2011 komplett über Bord ging. Rita Mohr-Lüllmann verließ Parteivorstand und Bürgerschaftsfraktion. Zurück blieb mit Jörg Kastendieck, Thomas Röwekamp und Jens Eckhoff ein in sich auch nicht gerade geschlossenes Trio, das in den 90er-Jahren ausgezogen war, die Bremer CDU zu reformieren. Stattdessen hat man dann den Laden gegen die Wand gefahren. In Zeiten, in denen selbst das sozialdemokratisch geprägte Radio Bremen dem rot-grünen Senat eine ziemlich desaströse („Es kam noch schlimmer“) Halbzeitbilanz bescheinigte, gibt es folgerichtig niemanden, der dem präsidial agierenden Bürgermeister Jens Böhrnsen auch nur ansatzweise gefährlich werden könnte.

Im Gegenteil: Einziges Wahlziel der Bremer Union wird es in zwei Jahren sein, die Grünen wieder als Juniorpartner der Sozialdemokraten ablösen zu dürfen. Das wäre dann immerhin, neben der Regierungsbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern, die zweite Regierungsbeteiligung in Norddeutschland.

Insofern kann die CDU in Schleswig-Holstein sich noch glücklich schätzen. Bei der Kommunalwahl im Mai wurde sie allen Rückschlägen und Dummheiten der vergangenen Jahre zum Trotz stärkste Partei im Land.