Der CSU-Chef zündet gern Böller, die Freund und Feind überraschen. Doch im Wahlkampf will er sich zurückhalten, sagt er

Kloster. Banz Rechtzeitig zum Gipfeltreffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist die CSU und ihr Vorsitzender wieder ganz friedlich gestimmt. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer schwärmt vor der Kulisse des oberfränkischen Barockklosters Banz von der vollkommenen Harmonie in der Unionsfamilie. Es sei wie in einer Fußballmannschaft, die die Champions League gewinnt: Es herrsche Respekt, Vertrauen, Einverständnis.

Es ist in Seehofers Augen schon fast ein historischer Unionsfriede, der zurzeit herrscht: „Bis zu einer vergleichbaren Situation muss man schon sehr lange zurückdenken“, sagt der CSU-Chef – und verspricht, dass sich bis zur Wahl nichts daran ändern werde. „Ich werde schüchtern sein im Umgang mit allen politischen Freunden.“ Und in den Medien werde er nicht für weitere Unterhaltung sorgen. Der bayerische Löwe, der zum schnurrenden Kater geworden war, sei nur eine Vorstufe zu dieser neuen Zurückhaltung, verspricht er.

Auch die Kanzlerin, die zur Klausurtagung der CSU-Landesgruppe nach Bayern gekommen ist, findet fast nur lobende Worte für die Freunde aus dem Süden. „Wir haben die Dinge sehr gemeinsam ausgearbeitet, und wir werden sie in den kommenden Wochen sehr gemeinsam vertreten.“ Und dort, wo es Differenzen gebe, gehe man „ganz natürlich“ miteinander um. „Wir haben immer einen gemeinsamen Weg gefunden“, sagt sie lapidar. Querschüsse aus Bayern fürchtet sie offensichtlich nicht wirklich. Mit einem knappen Satz macht die Kanzlerin deutlich, wie wenig sie es kümmert, wenn die CSU pflichtschuldig mal eine andere Position vertritt – wie beispielsweise bei der Pkw-Maut. „Damit es Unterschiede gibt, muss es ja auch Unterschiede geben.“ An ihrer Haltung habe „sich da nichts geändert“, sagt Merkel. In der CSU will deswegen niemand den großen Krach. Man wäre schon froh, wenn die Maut zumindest als Prüfauftrag in den Koalitionsvertrag geschrieben wäre.

Acht Wochen vor der richtungsweisenden Landtagswahl in Bayern und neun Wochen vor der Bundestagswahl will man sich bei CSU und CDU bei einem Schön-Wetter-Termin wie in Banz nicht wehtun. Zumal die Umfragen darauf hindeuten, dass bisher vieles richtig gemacht wurde. Die CSU hat erkannt, dass sie von der Popularität der Kanzlerin profitiert, und die CDU-Vorsitzende weiß, wie wichtig eine starke CSU für das Bundestagswahl-Ergebnis ist. Merkel wird in den kommenden Wochen deshalb quasi Dauergast in Bayern. „Beide Wahlen sind eine Schlüsselwahl“, sagt Seehofer über die Landtagswahl am 15. September und die Bundestagswahl eine Woche später. Gerät die CSU in die Opposition, droht ihr Nimbus als eine der erfolgreichsten Parteien Europas zerstört zu werden.

Das von Weitem sichtbare fränkische Barockkloster Banz gibt ein schönes Motiv für die Botschaft, die die Union nun unter das Volk bringen will: Am Ende einer von viel Streit geprägten Regierungszeit harmoniert die Koalition aus CDU, CSU und FDP. Bei dieser Inszenierung spielt Merkel freimütig mit: Sie habe die gute Zusammenarbeit in der Legislaturperiode „persönlich sehr gespürt“. Ohne diese wären die Fortschritte bei der Euro-Rettung nicht möglich gewesen. Im Zusammenspiel mit der Landesgruppe und deren Vorsitzenden Gerda Hasselfeldt mag die Zusammenarbeit gut gewesen sein. Doch aus München gab es gerade beim Thema Euro viele Querschüsse aus der CSU-Zentrale. Merkel scheint darüber derzeit hinwegsehen zu wollen. „Sehr gemeinsam“ sollten CDU und CSU doch jetzt für ihre Programmatik werben.

Auch die CSU-Abgeordneten, die bis zum heutigen Mittwoch in Banz tagen, spielen bei der demonstrativen Harmonie mit. Er sei seit 34 Jahren Mandatsträger, sagt etwa der Wirtschaftsfachmann Hans Michelbach. „Noch nie“ sei ein Wahlprogramm der Union wie das diesjährige so intensiv miteinander vorbereitet worden. Dass die Harmonie in großen Zügen eine Wahlkampferfindung ist, könnte allerdings bald wieder offensichtlich werden. In der kommenden Woche will die CSU einen eigenen Bayernplan veröffentlichen, in dem sie ihre im Widerspruch zur CDU stehenden Positionen festschreibt. Eine Forderung nach mehr Volksabstimmungen wird darin stehen, auch eine nach einer regionalisierten Erbschaftssteuer – und schließlich auch die nach der Pkw-Maut.

Von den Irritationen der vergangenen Tage über einen vermeintlichen Kurswechsel des CSU-Chefs bei der inneren Sicherheit – die eigentlich zum Markenkern der CSU gehört – will niemand etwas wissen. Weil im Unionswahlprogramm das Wort Vorratsdatenspeicherung nicht mehr auftaucht, dafür aber von einer Mindestspeicherfrist die Rede ist und Seehofer sich gleichzeitig für mehr Datenschutz ausgesprochen hatte, war über diesen Kurswechsel spekuliert worden – der gleichzeitig eine erneute Herabsetzung von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) durch dessen Parteichef bedeutet hätte.

Eine Wende sei das nicht, heißt es jetzt bei der CSU. Es ist vielmehr ein flexibles Reagieren auf die beunruhigenden Berichte über das Ausspionieren diverser Geheimdienste: „Bei neuen Erkenntnissen muss man hinterfragen und überprüfen, ohne dass die Behauptung aufgestellt wird, es gebe einen Kurswechsel“, sagt Seehofer. Vielmehr wird von der CSU ein entschlossenes Sowohl-als-auch vertreten. „Die Gemengelage ist eine andere. Wir müssen eine hohe Sensibilität zeigen, wie das Gleichgewicht der Ziele – innere Sicherheit und Schutz der Daten – erreicht werden kann“, erläutert CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt die neue Linie, die er sogleich wie einen Wahlslogan formuliert: „Wir sind die Partei des Datenschutzes, und wir sind die Partei der inneren Sicherheit.“